[kinder] Allein unter Superhelden
unhöflich, so was, oder? Also komm, wir ...«
»Wow!«, sagt Marie wieder. Sie huscht in den hinteren Teil des Büros und ich laufe ihr nach, um im Schein der kleinen Sonne zu bleiben. Weil ich nicht über eins der blöden Kabel stolpern will, die hier überall rumliegen, klar!
»Schau mal«, sagt Marie mit kratziger Stimme.
Vor uns steht eine Liege.
Na und? Ist es verboten, dass Dr. Schröder sich zwischen den Stunden mal aufs Ohr haut, oder was?
Marie lässt ihre Sonne aufglühen und ich schlucke.
Über die Liege führen starke Metallfesseln, von denen Drähte in einen Kasten gehen. Zwei kräftige Roboterarme sind rechts und links der Liege angebracht, das Polster hat Ausbuchtungen, die den Umriss eines menschlichen Körpers bilden. Eines Körpers, der deutlich größer ist als Dr. Schröder.
Ich kann mir gut vorstellen, wie der Typ aussehen würde, der in dieses Polster passt, wenn er die Fäuste in die Hüften stemmt oder nach oben reckt, als wolle er losdüsen.
Ich schlucke noch mal.
Ich muss zu Papa. Schnell.
In der Falle!
»He, Versager!« Marvin hat echt Talent, sich mir in den unmöglichsten Momenten in den Weg zu stellen. Mir ist aber irgendwo auf der Treppe in die Kugel hinauf die Puste ausgegangen. Ich beuge mich vor, um besser Luft zu kriegen.
Sogar der Boden ist aus Glas, und für jemanden, der nicht andauernd durch die Stratosphäre düst, ist es komisch, die Wolken unter seinen Turnschuhen vorbeiziehen zu sehen. Ich gucke wieder hoch.
Die Sonne knallt ungehindert durch die Scheiben. Familie Nachtfalter drängt sich auf einem winzigen Flecken Schatten hinter einem der Pfeiler zusammen, die bis zur Decke reichen und dort in die Streben übergehen, die um die Kugel laufen.
Papa, Mama und Laura sind in dem Gedränge natürlich nirgends zu sehen. Logisch. Es kann ja nicht ein einziges Mal entspannt ablaufen, den teuflischen Plan eines Bösewichts zu vereiteln!
Dass Dr. Schröder ein Bösewicht ist, hätte mir echt früherauffallen können: sein seltsamer Versprecher, als er mich am Infotag in den Park geschleppt hat; sein Interesse an Papa Ray; das gierige Funkeln in seinen Augen, wenn er uns angeschaut hat. Und einen Plan hat er auch. Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass er nur aus Spaß Elektroschrott sammelt und wieder zum Laufen bringt.
Auch wenn ich es ungern zugebe, ich bin ziemlich auf ihn reingefallen. Und deshalb wäre es mir am liebsten, das schnell in Ordnung zu bringen: Papa sagen, dass der Elternabend eine Falle ist, einmal Zzzsch! hören, Dr. Schröder kurz aufglühen sehen, erledigt. Noch eine Cola trinken und ab nach Hause.
Marvin schaut immer noch, als würde er mir seine Ekelzunge am liebsten mitten ins Gesicht klatschen. Einfach so. Weil er es kann. Und weil er glaubt, dass ich mich sowieso nicht wehre.
Aber diesmal hat er sich geschnitten.
»Du bist sauer, Marvin«, sage ich. »Weil ich dich einen Lügner genannt habe. Ich sag jetzt mal, dass es mir leidtut. Dir ist das egal und es fällt dir nichts Besseres ein, als mich noch mal in den Salat zu tunken. So weit einverstanden? Es ist aber gerade ziemlich ungünstig. Wir verschieben das auf morgen, ja?« Nicht, dass ich vorhabe, morgen noch einmal hier aufzukreuzen.
Marvin muss die vielen Informationen wohl Stück für Stück verdauen, damit sich sein Gehirn nicht daran verschluckt.Dabei glotzt er mich total bekloppt an, und wenn ich nicht schon bestimmt einen halben Kilometer weg stünde, würde ich rübergehen und ihm die Kringelhaare einzeln knicken, damit ihn der Radioempfang nicht beim Denken stört. Ehrlich! Aber weil wir dafür echt keine Zeit haben, nicke ich Marie zu und schließe die Augen.
Eins.
Zwei.
Drei.
Marvin stolpert geblendet durch die Kugel und knallt mit der Nase gegen die Glaswand.
Der wäre erledigt und kommt bestimmt nicht mehr so schnell auf die Idee, sich mit mir anzulegen!
Marie und ich drücken uns an The Rock vorbei. Capes klatschen mir ins Gesicht, ständig quietschen Gummihandschuhe,wenn ein Held seine Faust ballt, um über eine grandiose Heldentat zu berichten.
Wie soll ich Papa in dem Durcheinander nur finden?
Wobei – eigentlich kann er nur an einem Ort sein.
Ich nehme Marie an der Hand und ziehe sie in die erste Reihe.
Da steht Papa Ray und neben ihm Mama und Laura, die seelenruhig darauf warten, dass Dr. Schröder ans Rednerpult marschiert.
»Dr. Schröder hat etwas vor!«, sage ich, als wir sie erreichen.
»Das will ich hoffen«, sagt Papa. »Wie will er dich sonst
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