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[kinder] Allein unter Superhelden

[kinder] Allein unter Superhelden

Titel: [kinder] Allein unter Superhelden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Wolz
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Luft. Er kracht in eine Lagerhalle unter uns. Ich tue, als würde das meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, und kriege das ziemlich glaubwürdig hin.
    Zwischen den vielen Armen und Saugnäpfen sehe ich Papas Cape flattern.
    »Tolle Idee«, höre ich ihn. »Ist ein cleveres Kerlchen, dieser Dr. Schröder.« Mit gestreckter Faust schießt Papa auf mich zu und ich bin zum ersten Mal in meinem Leben froh, als ich auf seinem Rücken hänge.
    Mama und er setzen mich auf einem Steg am Rand des Hafens ab.
    Für meinen Geschmack könnten wir ein ganzes Stück weiter weg sein, aber Papa hockt sich entspannt auf die Bretter und zaubert ein Butterbrot hervor. Keine Ahnung, wo das versteckt war. So ein Gummianzug hat auf den ersten Blick ja nicht viele Taschen.

    »Schade, dass du dir keinen aufregenderen Tag ausgesucht hast«, sagt Papa und beißt ab. »Dr. Schröder muss das ja nicht wissen«, nuschelt er verschwörerisch. »Kannst du deinen Bericht nicht ein bisschen aufpeppen?«
    Papas Superkollegen drängen den Kraken zurück. Endlich gibt er auf und taucht unter. Drei Schiffe schwimmen kieloben im Hafen, zwei weitere treiben ins offene Meer hinaus. Eine Lagerhalle ist zerstört, ein Dutzend Autos umgeworfen. Hier und da lodern Feuer.
    »Mhm«, mache ich. »Sollte drin sein.«
    Mama hat den Rückzug des Kraken mitbekommen und seufzt zufrieden. »Wir haben früher Feierabend, Ray.« Auch Papa freut sich. »Sehr schön. Dann sind wir dieses Mal pünktlich.«
    Irgendwas regt sich in mir.
    Ich komme nur nicht darauf, was es ist.
    Ich schaue Mama fragend an.
    »Der Elternabend, Hasi«, sagt sie. »Und die Einweihung der Aussichtskugel.«
    Das ist wie mit den Hausaufgaben in Mathematik. Das Gehirn ist so programmiert, dass es sich nicht mit Mathe beschäftigen will , sobald der Unterricht zu Ende ist. Gäbe es Hausaufgaben in Sport, würden die einem bestimmt nicht einfach entfallen.
    »Leon? Du freust dich doch, oder?« Papa strahlt mich an.
    Ich lache. Aus Verzweiflung. Mathe hin, Sport her: Wie kann man nur so bescheuert sein zu vergessen, warum man blaugemacht hat?

Eine schreckliche Entdeckung
    »Leon, beeil dich mal!«
    Papa kann noch so wild mit den Händen rudern, wie er will, eine Kuh hüpft auch nicht fröhlich über die Wiese, wenn sie zum Metzger soll. Ich trotte weiter hinter ihm, Mama und Laura her durch die Aula. Die drei haben sich in Schale geworfen, als ginge es wieder einmal zu einer Ordensverleihung ins Rathaus. Die einzige Auszeichnung, die sie von Dr. Schröder erwarten können, ist aber, dass sie es mit einem untalentierten Familienmitglied wie mir aushalten.
    »Verdammt. Wir sind die Letzten.« Papa.
    Das Schulgebäude ist tatsächlich so leer, dass die Monster-Ratten der Umgebung ungestört ihre Jahreshauptversammlung abhalten könnten.
    Wir gehen an Dr. Schröders Büro vorbei zur Treppe, die sich in einem Turm hinaufwindet, die Decke durchstößt und weiter im Metallträger zur Aussichtskugel führt.
    Papa hält mir die Hand hin. Hochfliegen, wie immer. Diesmal kann ich ihn sogar verstehen. Die Treppe nimmt niemand gern zu Fuß.
    Ich schüttle trotzdem den Kopf.
    »Wenn du magst ...« Lauras Finger kommt mir ziemlich nahe.
    »Nichts da!« Am Ende lande ich wieder auf dem Mädchenklo. Und selbst wenn sie mich in die Kugel bringen würde, könnte ich mir Schöneres vorstellen, als Dr. Schröder vor versammelter Mannschaft auf die Schuhe zu kotzen.
    Ich habe aber auch gar nicht vor, den dreien zu folgen, und schaue ihnen nach, wie sie abdüsen. Das bisschen Ärger mehr, wenn ich hier unten bleibe, macht es auch nicht fett. Oben erfährt Papa nämlich gleich, wie dämlich ich mich anstelle und dass ich die Projektarbeit über den Superhelden-Alltag nur erfunden habe. Von wegen Berufswunsch und so. Lachnummer. Ich würde keinen einzigen Kampf gegen einen Superschurken überleben, so sieht das aus.
    Ich setze mich auf die unterste Stufe. Nein, es ist besser, nicht in der Nähe von Papas Laserblick zu sein, wenn er von Dr. Schröder erfährt, wie ich mich mache. Oder eben nicht mache.
    Ich höre ein Geräusch hinter mir.
    Klingt, als würde Pauls Mama immer noch schluchzend darauf warten, dass ich jeden Moment umkippe. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass sie sich ausgerechnet die Treppe der Superschule aussucht, um wegen mir zu heulen.
    Ich schaue nach.
    Und wünsche mich auf den Krakenarm zurück. Da habe ich gewusst, was ich zu tun habe: mich festhalten und versuchen, nicht zu sterben.
    Aber was

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