Kinder der Apokalypse
meine bessere Hälfte.«
»Der Stab ist deine bessere Hälfte.« Der Sinnissippi richtete den Blick auf Logan. »Erinnerst du dich daran, wann ich ihn dir gegeben habe?«
Das konnte er wohl kaum vergessen. Es war mehrere Wochen gewesen, nachdem die Herrin Logan erschienen war und er zugestimmt hatte, als Ritter des Wortes in ihren Dienst zu treten. Er hatte darauf gewartet, dass man ihm sagte, was er tun müsse. Aber sie war ihm nicht noch einmal erschienen, weder leibhaftig noch in seinen Träumen. Sie hatte ihm keine Nachricht geschickt. Er war vor Unentschlossenheit erstarrt gewesen, zum ersten Mal seit Michaels Tod.
Dann war O’olish Amaneh aufgetaucht, der letzte Sinnissippi, ein riesiger, imposanter Mann mit einem schwarzen Stab, der von oben bis unten mit seltsamen Ornamenten bedeckt war. Ohne Erklärung und Einleitung hatte er Logan nach seinem Namen gefragt und ob er seine Dienste am Wort akzeptierte, und dann hatte er erklärt, der Stab gehöre ihm.
»Weißt du noch, was du mir gesagt hast, als ich dir mitteilte, dass der Stab dir gehört?«, fragte Two Bears.
Er nickte. »Ich fragte dich, ob es sonst noch etwas gäbe, und da hast du gesagt, dass er genau das tun würde, was ich von ihm will.«
»Du hast gewusst, was ich damit meine.«
»Dass er Menschen töten würde.«
»Du konntest ihn mir nicht schnell genug abnehmen. Du konntest es nicht abwarten, ihn einzusetzen.«
Er erinnerte sich an seine Begeisterung, als ihm bewusst wurde, was er mit dem Stab in seinem Dienst am Wort alles vollbringen konnte. Er würde Leben retten können, die sonst verloren wären. Er würde die Feinde der Menschheit zerstören können, die sie alle bedrohten. Und ganz besonders würde er die Dämonen vernichten können.
Er würde die Rache nehmen können, die er sich so verzweifelt wünschte. Das war alles, wonach ihm damals der Sinn stand, immer noch jung und naiv. Es war die natürliche Antwort auf seinen Zorn und den Schmerz über die Verluste gewesen, die er erlitten hatte – Heim, Familie, Freunde, sein ganzes Leben. Die Dämonen und ihre Anhänger hatten ihm alles genommen. Er wollte sie verfolgen, wollte sie aus ihren Bauten locken oder ausgraben und alle zu Asche verbrennen Er hatte sich durch die Welt treiben lassen und nach Anleitung gesucht. Die Herrin hatte ihm den Weg gewiesen. Two Bears hatte ihm die Mittel gegeben, diesen Weg auch zu beschreiten.
»Bist du immer noch so eifrig?«, fragte der Sinnissippi leise.
Logan dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf. »Jetzt bin ich vor allem müde.«
»Ich höre sie oft von dir reden«, fuhr der andere fort. »Sie sagen, du bist ein Geist. Sie sagen, niemand sieht dich kommen oder gehen. Sie wissen nur, dass du da warst, weil du etwas zurücklässt.«
»Dämonen und Gesocks.«
Two Bears nickte. »Sie sprechen von dir, als wärest du eine Legende.«
»Das bin ich nicht.« Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nichts auch nur Annäherndes.« Er stand auf und trat vom Tisch zurück. »Wie sieht es in der Welt aus? Ich höre nicht viel.«
»Es gibt wenig zu hören. Es ist überall seit vielen Jahren gleich.«
»Es gibt immer noch Lager?«
»Einige. Weniger jetzt.«
»Das schöne Amerika. Leider nur im Lied.«
»Eines Tages wird es wieder schön sein, Logan. Es ist ein Kreislauf, alles kommt und geht. Eines Tages wird die Welt wieder neu sein.«
Er sprach mit solchem Selbstvertrauen, mit solcher Überzeugung, dass es Logan bis ins Herz traf, so sehr wollte er ihm glauben. Aber alles, was er von seinen Reisen wusste, alles, was er gesehen hatte, sprach für das Gegenteil.
Er schüttelte zweifelnd den Kopf. »Was ist im Moment mit der Welt los? Was ist mit den anderen Ländern? Was mit Europa und Asien und Afrika?«
»Es ist überall das Gleiche. Die Dämonen jagen die Menschen. Die Menschen setzen sich zur Wehr. Einige werden Einst-Menschen, andere Sklaven. Einige können ihre Freiheit behalten. Der Kampf geht weiter. Wichtig ist, dass der Geist der Menschen stark und lebendig bleibt.«
»Dann verbessern wir unsere Chancen auf einen Sieg?«
Der große Mann schüttelte den Kopf.
»Was genau tun wir also?«
»Warten.«
Logan starrte ihn an. »Auf was?«
Der Blick aus den Obsidianaugen band ihn an Ort und Stelle. »Genau darüber sollten wir reden.« Er stand auf und richtete sich auf. »Komm mit.«
Der Indianer begann, vom Feuer weg und in die Dunkelheit zu gehen. Logan zögerte und packte den Stab fester. »Wäre es nicht
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