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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ketterl
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aus Langeweile die Umgebung ausgekundschaftet habe. Selbst mein Vater kennt ihn nicht oder er interessiert ihn einfach nicht. Der Tunnel ist eng und ungemütlich, voller Spinnweben und anderem Zeug. Aber das wird den Frauen egal sein, wenn er sie in die Freiheit führen soll. Mein Vater setzt sie seit vorgestern jetzt jeden Tag am frühen Morgen der aufgehenden Sonne aus, solange es eben geht, ohne dass sie verbrennen. Jeden Tag ein wenig mehr. Einen weiteren Morgen werden sie es noch ertragen müssen, denn so schnell kann ich nicht alles umsetzen, aber schon am Tag darauf werde ich sie in den bis dahin geöffneten Gang entlassen. Sie müssen vorbereitet und bei Kräften sein! Ich habe meinem Vater geraten, ihnen sein Blut immer zu verabreichen , kurz bevor er sie der Sonne aussetzt, da dann die Wirkung am effektivsten ist. Für den nächsten Morgen wird das sehr schmerzhaft für die sechs sein, doch am folgenden Morgen kann es ihre Leben retten. Ich bitte dich darum, dass du mir die Umgebung absicherst. Es darf keiner der Krieger im Innenhof sein, ich werde die Frauen mit einem deiner Männer hinausbringen. Aber er muss sich dann sofort zurückziehen, um aus der Schusslinie meines Vaters zu sein! Anstatt sie an die Pfähle zu ketten, schicke ich sie in den Tunnel – dann müssen sie einfach nur laufen.“
    Rodrigo wand sich etwas. „Ares, das … das ist dein Tod! Sobald dein Vater das erfährt, bist du sein Feind und stehst auf der Gegenseite, er wird dich umbringen! Verstehst du mich? Du wirst das nicht überleben.“
    „Nicht, wenn ich die Möglichkeit habe, noch einmal in Ruhe mit ihm zu sprechen. Ich bin sein einziger Sohn, ich bin der, auf den die Truppen eingeschworen sind. Er wird soweit logisch denken, dass er mich nicht ohne Weiteres töten wird. Und wenn, dann sterbe ich für die Freiheit der Frauen. Rodrigo, Samira hat bei dir getrunken, du hast ihre Gedanken gefühlt, nicht wahr?“
    Der Krieger bejahte. „Sie war voll Sorge um ihr Kind, sie hatte Angst, mir Schmerz zuzufügen, und sie ist vor allem voller Angst, dass dir Leid zugefügt werden könnte. Sie hat sich damit arrangiert, dass sie möglicherweise alle sterben. Sie wird stark sein für die anderen Frauen, vor allem für die jüngeren unter ihnen. Sie ist unglaublich!“
    „Soll ich sie sterben lassen, aus Furcht vor meinem Vater? Sieh mich an und sag mir, dass ich das tun soll!“
    „Nein, Ares, das sollst du nicht, aber lass mich die Frauen nach draußen schaffen.“
    „Keinesfalls. Dich würde er samt deinen Männern töten. Sollte mir etwas zustoßen, dann brauche ich bedachte, vernünftige Ve rtraute, die meinen Willen auch nach meinem Tod ausführen. Versprich mir das.“
    Rodrigo seufzte tief. „Also gut, ich verspreche es.“
    „Gut.“ Ares wandte sich wieder um und lauschte in die Finsternis. Er spürte die Hüter, schon seit einer ganzen Weile. Seine Sinne waren scharf – selbst wenn sie sich dort draußen hinter ihren Schutzschilden verbargen, konnte er sie fühlen. Sie waren gekommen, sie hatten die Burg gefunden. Da war Lucas Aura, außerdem zwei weitere.
    Ares atmete tief ein, dann ließ er seine Deckung fallen und öf fnete sich den Hütern.

47.
     
     
    Luca schnappte überrascht nach Luft. Die Präsenz, die sich ihm urplötzlich offenbarte, war uralt und von einer immensen Stärke. Zuerst dachte er, Alexandre würde dort oben auf den Zinnen stehen, doch das war nicht möglich. Die Aura Alexandres kannte er: Sie vibrierte voller Zorn, Hass und der Gier nach Rache. Das, was sich ihm hier offenbarte, war eine stille, neugierige, keinesfalls feindlich gesonnene Präsenz. Sicher, es war sehr viel Vorsicht dabei – und doch, Luca konnte weder den üblichen Hass noch die Gewaltbereitschaft erspüren, die er bei dem Vorfall in Abdallahs Wüstenresidenz gefühlt hatte. Wer stand dort oben auf der Mauer, wer öffnete sich ihm freiwillig? Wer war so stark, dass er Hüter, die sich abschirmten, wahrnehmen konnte?
    Es konnte nur eine Antwort geben. Ares, der Mörder Habibs, der Mann, der den nahezu als unschlagbar geltenden Sohn Abda llahs getötet hatte. Noch immer konnte Luca sich keinen Reim darauf machen, was geschehen war. Schade, Gedanken zu lesen, wäre jetzt gerade eine gute Option gewesen, das aber ließ der andere nicht zu. Er schien zu fürchten, dass das zu weit gehen würde.
    „Er will Frieden. Er ist des dauernden Kampfes müde und er hat viel gelernt. Ares bittet darum, vorsichtig zu sein. Übereiltes Handeln

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