Kinder der Dunkelheit
drei schwarze Schatten rannten Luca, Angel und Stefano in atemberaubendem Tempo durch die Nacht. Vorbei an wilden Felsformationen, Pinienhainen und kleinen Nadelwäldchen, über Hügel und durch Täler. Sie jagten mit überaus geschärften Sinnen durch die Dunkelheit, bis Stefano plötzlich innehielt. Er schloss die Augen und witterte mit geblähten Nasenflügeln wie ein Wolf in die Nacht. In seinem leicht geöffneten Mund sah man zwei Reißzähne aufblitzen.
Luca konnte ihn wie so oft zuvor nur voll ehrlicher Bewunderung ansehen. Stefano war, wenn er es darauf anlegte, das perfekte Raubtier. Seine überdurchschnittliche Wahrnehmung, die Lucas definitiv übertraf, die unbeschreibliche Geschmeidigkeit der Bewegungen, seine unglaubliche Schnelligkeit, wäre es nicht unmöglich gewesen, dann ... Nein, er hatte jetzt keine Muße, sich darüber Gedanken zu machen. Wichtig war nur eines: das Versteck der Fürstentöchter zu finden.
Das dachte offenbar auch Stefano. „Ruhig, Leute, ich glaub, ich hab sie. Ich spüre Menschen, aber auch Vampire, nur wenige wahre Kinder der Dunkelheit, sie schirmen sich kaum ab. Sie sind nah!“
„Wow, Respekt, Alter, ich spüre noch gar nichts, deine Wahrnehmung möchte ich haben.“ Angel war tief beeindruckt. „Das macht nicht immer Spaß, das darfst du mir glauben. Los kommt, wir müssen näher ran! Ich sagte doch, den Kasten kenne ich. Aber es ist nicht gut. Viele Krieger, wie ich es geahnt habe, der alte Grieche hat eine halbe Armee aufgefahren. Scheiße, das sind echt viele!“ Stefano war nicht begeistert.
„Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. Lass uns näher rang ehen und herausfinden, ob du richtig liegst.“ Luca sah das Ganze eher praktisch – was nicht zu ändern war, musste eben angegangen werden. Eine andere Möglichkeit gab es sowieso nicht. Sie zogen sich hinter ihre starken mentalen Schutzschilde zurück und näherten sich dem Versteck des rachsüchtigen Feldherrn.
Ares ließ sich den Nachtwind ins Gesicht wehen. Sein langes blondes Haar hatte er zu einem festen Zopf geflochten, sodass es ihm nicht andauernd widerspenstig in die Augen fiel. Wie aus Marmor gehauen, stand er im fahlen Licht des Mondes und starrte hinaus in die Dunkelheit der Umgebung.
„Herr? Ares, störe ich? Bin ich zu früh?“
„Aber nein, Rodrigo, du bist pünktlich wie immer.“ Ares wandte sich dem treuen Gefährten zu und studierte eine Weile nachdenklich dessen Gesichtsausdruck. „Rodrigo, würdest du mir einen Gefallen tun?“
„Selbstverständlich, was kann ich tun?“
„Du kannst damit aufhören, mich ,Herr‘ zu nennen. Könntest du mich nicht einfach als deinen Freund ansehen?“
Rodrigo war sichtlich perplex. „Natürlich, es wäre mir eine E hre, eine große Ehre sogar. Ich bin etwas verwirrt, das muss ich zugeben. Womit habe ich dieses Vertrauen verdient?“
Ares lächelte ein bitteres Lächeln. „Hast du mir vorhin zug ehört? Ich hatte niemals jemanden, den ich ,Freund‘ nennen konnte. Ausgerechnet beim Blick in die Augen eines Mannes, dem ich kurz zuvor den tödlichen Hieb versetzt hatte, stellte ich mir zum allerersten Mal in meinem Leben die Frage, ob wir Freunde hätten werden können. Kannst du dir das vorstellen? Es waren die Augen des Fürstensohnes, die den Ares in mir geweckt haben, der ich eigentlich sein sollte. Es war beängstigend. Ich habe mich lange gefragt, was Freundschaft ausmacht. Treue, Loyalität, absolutes Vertrauen, füreinander einzustehen, für den anderen da zu sein? Sein Leben für den anderen zu riskieren? Nun, all das taten wir ja und haben wir in den vielen gemeinsamen Jahren geteilt. Daher erachte ich dich, für meinen Teil, mittlerweile als Freund. Ich fände es schön, wenn du es auch so sehen könntest. Doch ich verstehe, wenn es dir unheimlich ist, vor allem jetzt, da es gefährlich werden könnte, zu mir zu stehen.“
Rodrigo musterte Ares todernst. „Freund? Es könnte gefährlich werden? Tja, dann stehe ich doch lieber an der Seite eines Freundes, als an der Seite eines Herrn.“
Ares atmete befreit auf. „Danke, Rodrigo, das bedeutet mir viel.“ Er wandte der Dunkelheit hinter sich den Rücken zu und weihte den Freund in seinen Plan zur Rettung der Frauen ein.
„Du kennst den kleinen Fluchttunnel, der aus dem Innenhof hinaus in die Ebene führt? Er ist hinter einer winzigen, schmiedeeisernen Pforte verborgen, die fast ganz von wildem Wein überwuchert ist. Ich habe ihn vor vielen, vielen Jahren gefunden, als ich
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