Kinder der Dunkelheit
würde die Gefangenen in große Gefahr bringen.“
Verblüfft starrten Luca und Angel Stefano an, der diese Worte leise und nachdenklich ausgesprochen hatte, als müsse er sich zuerst noch selbst von deren Wahrheitsgehalt überzeugen.
„Das ist nicht wahr, oder? Du kannst in seinen Geist eindri ngen?!“ Luca war sprachlos.
Stefano aber zuckte nur die Schultern. „Er hat mich eingela ssen, als er mich gespürt hat. Ich habe ihn fühlen lassen, dass ich es auch ohne seine Zustimmung könnte.“
„Kannst du nicht!“ Angel fand überhaupt keine Worte mehr, um seiner Überraschung Ausdruck zu verleihen.
„Spielen wir jetzt Kindergarten, oder was? Ich kann es nun mal, wollen wir es bitte einfach dabei belassen?“ Stefano lauschte in das Dunkel der Nacht. „Schade, jetzt hat er tatsächlich dicht gemacht. Nein, warte, sein Vater ist im Anmarsch! Es gibt Mittel und Wege, um in die Burg zu gelangen – los, Leute!“
„Da bist du dir sicher?“ Luca wirkte nicht sehr überzeugt, als er die trutzigen Mauern, die tiefen Gräben und die alten Zugbrücken musterte. „Was denkst du? Hat er wirklich so viele Krieger dort drinnen? Ich fühle enorm viele, zwar Menschen, aber allesamt stark und voller Kampflust.“
„Ich denke, du fühlst richtig, sie sind da, aber ich habe da so einen bösartigen kleinen Plan im Hinterkopf. Lasst mich mal machen. Wenn es so weit ist, dann konzentriert ihr euch auf die Zugbrücke. Vor allem ihr, die Hüter sollten direkt die Mauern hochklettern. Aber gebt acht: Als ich das letzte Mal hier war, gab es noch immer diese netten Kessel, aus denen man siedendes Öl ausgießen konnte.“ Stefano grinste hämisch. „Ihr müsst schnell sein!“
„Danke, das macht mir doch gleich noch mehr Mut. Du hast eine enorm aufbauende Art, mein Lieber.“ Angel zog eine böse Grimasse.
„Siedendes Öl würde zu dem alten irren Griechen passen. Das kann ja heiter werden.“
„Verschwinden wir hier, wir haben genug gesehen! Lasst uns warten, bis Domingos Männer zu uns stoßen. Außerdem bin ich unsicher, was die Mädels anbelangt. Morgen, sobald es auch nur einigermaßen geht, kommen wir hierher und dann holen wir sie uns, koste es, was es wolle. Auf, weg jetzt, es wird bald Tag.“
Leise und für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar zogen sich die drei wie Wölfe, von denen man in der Dunkelheit nur noch die funkelnden Augen erkennen konnte, zurück in den Schutz der Bäume und eilten dann zurück ins Dorf zu ihrem Parador.
„Ich liebe die Spanier. Feiern bis in die Puppen, das macht unser Leben leichter.“ Stefano spielte auf die hübschen Señoritas an, die ihnen auf den letzten Metern zu ihrer Bleibe über den Weg gelaufen waren und so eine willige und angenehme Mahlzeit geboten hatten. Jetzt saß er auf seinem Balkon und wartete auf den Sonnenaufgang.
Luca lächelte ihn an. „Die Angewohnheit, dauernd auf irgen dwelchen Balkonbrüstungen oder Mauersimsen rumzuhängen, hast du seit damals nicht abgelegt, was?“
Stefano runzelte die Stirn. „Nein, wenn ich es mir richtig übe rlege, habe ich das ebenso wenig wie du deine Vorliebe dafür, lieber auf dem Boden anstatt in anständigen Stühlen zu sitzen.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er zu Luca, der auf dem kalten Marmorboden liegend in den Himmel starrte.
„Touché!“
Ein leises Klopfen ließ sie aufschrecken. Craigh steckte den ins Zimmer. „Leute, kommt mit, alle sind im Speisesaal. Wir sind die einzigen Gäste und der Besitzer ist ein Freund von Vittorio, also alles im grünen Bereich. Raffaele wüsste gern, was ihr zu berichten habt und offenbar bereitet unser Entertainer aus der Antike eine weitere Live-Übertragung vor. Mir graut es jetzt schon, was er wieder ausgeheckt hat. Schwingt die Hufe, Jungs!“
„Es gefällt mir nicht besonders, was ihr erzählt. Das sieht ein wenig nach einer Falle aus. Was sollte den Sohn dieses Bastards dazu bringen, uns urplötzlich nichts Böses mehr zu wollen? Es tut mir leid, aber das stinkt zum Himmel.“ Raffaele, sonst gern bereit, an das Gute in jedem Lebewesen zu glauben, konnte in diesem Fall seine Zweifel nicht überwinden.
Auch Massimo war keinesfalls gewillt, dem sich plötzlich offenbarten Sinneswandel von Alexandres Sohn positiv gegenüberzustehen. „Sein Vater und er haben eine mörderische Schneise durch Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland gezogen. Dass sich etwas an seiner Einstellung als Killer geändert hat, glaube ich erst, wenn ich es sehe.“
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