Kinder der Dunkelheit
Frauen immer heilig war?“ Alle nickten zustimmend. Sie kannten Ares’ unerschütterliche Einstellung hierzu. „Nun haben wir dort oben eine schwangere Fürstentochter, die verzweifelt um das Leben ihres ungeborenen Mädchens kämpft. Mein Vater beabsichtigt, das Kind in ihrem Körper sterben zu lassen, er will die Frauen töten, um ihren Vätern Schmerz zuzufügen. Samira, die Tochter des Fürsten Abdallah al Hayar, die dort oben, mutig wie eine Löwin, gegen den Tod kämpft, hat mich Demut und Respekt gelehrt. Selda, die Tochter Mustafas, des Fürsten der Türkei, hat mit ihrem unglaublichen Mut und ihrer Tapferkeit bewirkt, dass ich mit fast kindlichem Erstaunen erste Einblicke in eine Welt bekam, die mir bisher verschlossen war. Ja, es ist wahr, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben das erfahren, was man die wahre Liebe nennt. Ihr könnt mich schwach nennen, aber das, was ich eben sagte, ist nun einmal die Wahrheit. Vier unschuldige Fürstentöchter und Massimos Enkeltochter, die dort oben mutig ihrem Schicksal entgegensehen, und eine schöne, kluge Menschenfrau , die lieber selbst sterben würde als ihren Gefährten, den Hüter Luca de Marco zu gefährden.
Vor einigen Wochen habe ich einen Mann getötet, in dessen Augen ich, selbst, als er bereits im Sterben lag, nichts als Mitleid gesehen habe! Keine Furcht vor dem Tod konnte ich erkennen, keinen Hass auf mich, der ich seinem Leben ein Ende setzte, obwohl ich ihn nicht einmal kannte, er mir nie etwas getan hatte, nein, in seinen Augen waren nur Mitleid und die Frage nach dem Warum. Zum allerersten Mal schlichen sich damals Zweifel in meinen Verstand. Hätte er ein Freund werden können, wenn wir die Chance gehabt hätten, einander kennenzulernen? Dieser Mann war Habib al Hayar, Abdallahs Erstgeborener, Samiras Bruder. Sie weiß, dass ich der Mörder Habibs bin – und trotzdem spüre ich keinen Hass, kein Bedürfnis nach Rache bei ihr! Auch bei ihr fühle ich wieder nur die Frage nach dem Warum. Und daher stellte ich sie mir selbst. Ihr ahnt die Antwort? Ich weiß es nicht mehr! Seit neunhundert Jahren ziehe ich eine Schneise der Vernichtung durch die Kinder der Dunkelheit, ohne sie jemals gekannt zu haben. Nun kenne ich endlich zumindest ein paar von ihnen und, was soll ich sagen, sie beeindrucken mich zutiefst. Daher habe ich eine, sicherlich folgenschwere, Entscheidung getroffen! Ich will den Frauen zur Flucht verhelfen. Sie werden nicht auch noch dem jahrtausendelangen Rachefeldzug meines Vaters zum Opfer fallen. Sie sind unschuldig! Niemals haben sie jemandem Leid zugefügt. Sie müssen leben!“
Schweigen antwortete ihm, doch nicht für lange. „Ares, Herr, du weißt, dass wir alle einmal ganz normale Menschen mit ebe nso – mal mehr, mal weniger – normalen Gefühlen waren. Du wirst uns aus gutem Grund als Anführer eingesetzt haben. Ares, du hast deine Wahl getroffen und sie ist ehrenhaft und menschlich, auch wenn du das vielleicht gar nicht gern hörst. Du hast zumindest mein Schwert auf deiner Seite. Wie ist es mit euch?“ Rodrigo hatte sein Schwert aus der Scheide am Rücken gezogen und hielt es in die Mitte des Kreises, den die Männer gebildet hatten. „Und meines“, „Ebenso wie meines ...“ Zwölf Schwerter bildeten einen blitzenden Kreis, der Treue und Zusammenhalt versprach.
Ares warf einen dankbaren Blick in die Runde. „Ich hätte es keinem von euch verdenken können, wenn ihr euch zurückgez ogen hättet. Ich danke euch von ganzem Herzen.“
Rodrigo steckte sein Schwert wieder ein und grinste abwesend.
„Rodrigo! Ein Barren Gold für deine Gedanken!“ Ares musterte seinen Feldherrn neugierig. „Oh, ich dachte nur gerade, dass ich so möglicherweise auch die Möglichkeit habe, die schöne Carla noch einmal zu Gesicht zu bekommen.“ Unterdrücktes Gelächter war die Antwort auf dieses ehrliche Geständnis. „Man wird ja wohl noch träumen dürfen, oder?“ grummelte der kampferprobte Recke, dem derartige Äußerung nicht so leicht über die Lippen kamen wie ein deftiger Fluch.
Ares lächelte ihn ermunternd an. „Carla ist die Enkelin von Fürst Massimo, mein Vater und ich haben fast dessen ganze Familie ausgelöscht. Sie weiß das. Hast du Hass in ihr gefühlt, Rodrigo?“
Der schüttelte heftig den Kopf. „Nein, kein bisschen. Sie war dankbar über unsere Hilfe.“
„Verstehst du nun langsam, was ich meine? Rodrigo, lass dir gesagt sein: Die bildhübsche Fürstenenkelin hat deutliches Interesse an dir, das konnte
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