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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wollte Größe? Nur kleine Menschen waren vernarrt in Größe.
    Er fand es schwer, Worte zu finden, die den Zweck seines Turms erklärten.
    »Manuel, erkläre du es ihnen«, sagte er. »Mache ihnen klar, daß der Turm nicht nur ein großer Haufen Glas ist. Die Größe an sich ist nicht wichtig, sie ist notwendig. Du verstehst das. Du hast die Worte, es auszudrücken.«
    Manuel sagte: »Das technische Hauptproblem besteht hier darin, eine Nachricht auszusenden, deren Geschwindigkeit größer ist als die des Lichts. Wir müssen dies tun, weil Dr. Vargas festgestellt hat, daß die galaktische Zivilisation, zu der wir sprechen wollen, dreihundert Lichtjahre entfernt ist, was bedeutet, daß eine von uns gesendete, gewöhnliche Radiobotschaft ihre Adressaten erst im 26. Jahrhundert erreichen würde und daß wir eine Antwort erst etwa um 2850 erhielten, und mein Vater kann nicht so lange warten, um zu erfahren, was sie uns zu sagen haben. Mein Vater ist ein ungeduldiger Mensch. Um nun etwas zu haben, das schneller ist als Licht, müssen wir die sogenannten Tachyonstrahlen erzeugen, über die ich ihnen nur sagen kann, daß sie um ein Vielfaches schneller als Licht sein werden, und daß es ungeheurer Energien bedarf, sie zu erzeugen. Aus physikalischen Gründen ist es notwendig, einen Sendeturm aus Glas zu bauen, der etwa 1500 Meter hoch sein muß, weil…«
    Krug schüttelte unmutig den Kopf, während Manuel weitersprach. Es war ein leichter ironischer Unterton in Manuels Stimme, den er verachtete. Warum konnte der Junge nichts ernst nehmen? Warum konnte er sich nicht begeistern für die Abenteuerlichkeit und das Wunder des Turms, des ganzen Projekts? Warum klang Spott in seiner Stimme? Warum drang er nicht bis zum Herzen des Unternehmens vor, bis zu seiner wahren Bedeutung?
    Diese Bedeutung war Krug schmerzlich klar. Wenn es ihm nur gelänge, die Worte aus seinem Gehirn auf die Zunge zu bringen…
    *
    »Seht«, würde Krug sagen, »vor einer Milliarde Jahren gab es keine Menschen, es gab nur Fische, glitschige Lebewesen mit Kiemen und Schuppen und kleinen runden Augen. Sie lebten im Ozean, und der Ozean war wie ein Gefängnis, und die Luft war wie ein Dach auf dem Gefängnis. Niemand konnte durch das Dach gehen. ›Du wirst sterben, wenn du es versuchst‹, sagte jedermann, und da war ein Fisch, der versuchte es und starb. Und da war ein zweiter Fisch, der es versuchte, und auch er starb. Doch da war ein dritter Fisch, der es versuchte, und sein Gehirn brannte, und seine Kiemen brannten, und die Luft drohte ihn zu ersticken, und die Sonne war eine Fackel, die man in seine Augen stieß, und er lag da im Schlamm, wartete auf seinen Tod, und er starb nicht. Er kroch vom Strand zurück ins Wasser und sagte: ›Seht, dort oben ist eine ganz andere Welt.‹ Und er ging wieder hinauf und blieb zwei Tage oben und dann starb er. Und andere Fische waren neugierig auf die andere Welt. Und sie krochen hinauf auf den schlammigen Strand. Und blieben. Und lernten, die Luft zu atmen. Und lernten aufzustehen, umherzugehen, mit dem Sonnenlicht in den Augen zu leben. Und sie wurden Eidechsen, Dinosaurier, und sie gingen umher Millionen Jahre lang, und sie begannen sich auf ihren Hinterbeinen aufzurichten, und sie benutzten ihre Hände, um Dinge zu greifen, und sie wurden Affen, und die Affen wurden klüger und wurden Menschen. Und die ganze Zeit gab es einige wenige unter ihnen, die Ausschau hielten nach neuen Welten. Man sagte zu ihnen: ›Laßt uns zurückgehen in den Ozean, laßt uns wieder Fische werden, das ist bequemer.‹ Und vielleicht die Hälfte, mehr als die Hälfte, war bereit, dies zu tun, doch es gab immer welche, die sagten: ›Seid nicht verrückt. Wir können nicht mehr Fische sein. Wir sind Menschen.‹ Und so gingen und gehen sie nicht zurück. Sie klettern immer höher. Sie erfinden das Feuer, das Beil und das Rad, sie bauen Wagen und Häuser, und sie fabrizieren Kleider und Boote, Automobile und Züge. Warum klettern sie? Was wollen sie finden? Sie wissen es nicht. Manche von ihnen suchen Gott, manche streben nach Macht, und andere suchen ohne Ziel. Sie sagen, wir müssen weitergehen, sonst sterben wir. Und dann fliegen sie zum Mond und weiter zu den Planeten, und die ganze Zeit sagen einige von ihnen, es wäre schön im Ozean, es war einfach im Ozean. Was tun wir hier, warum gehen wir nicht zurück? Und einige wenige sagen dann, wir gehen nicht zurück, wir gehen nur vorwärts, das ist es, was Menschen tun. So stoßen

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