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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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waren wir vier Stunden im Rückstand. Hier, Mr. Krug… lassen Sie mich diese Elektrode festklemmen… danke. Danke. Und diese. Gut. Und den Abtaster… Ja, ja, gut. Das war’s. – Mr. Ssu-ma, bitte!«
    Der Android eilte in dem Raum hin und her, legte jedem von Ihnen die Elektroden an. Es dauerte etwa eine Minute, bis er mit allem fertig war, und dann zog er sich zurück. Daten begannen aus den Gehirnen der sechs Männer in das System zu fließen. Das Stasisnetz nahm die Profile ihrer Persönlichkeitskonturen auf, so daß es sich selbst programmieren konnte, um jeden plötzlichen Ausbruch von Emotionen kontrollieren zu können, während der Austausch der Egos stattfand.
    Manuel blickte um sich. Er war gespannt in der Erwartung des Identitätsaustausches. Diese fünf waren seine ältesten und nächsten Freunde; er kannte sie seit seiner Kindheit. Jemand hatte ihnen vor zehn Jahren den Spitznamen ›Spektrumgruppe‹ gegeben, als sie bei der Einweihung eines Unterwassersensoriums zufällig Kostüme in den Spektralfarben trugen. Der Spitzname war hängengeblieben. Sie waren reich, natürlich keiner so reich wie Manuel. Sie waren jung und gesund. Bis auf Cadge Foster und Jed Guilbert hatten alle innerhalb der nächsten Jahre geheiratet, doch ihre Freundschaft blieb trotzdem erhalten. Manuel hatte das Vergnügen des Egotausches schon mindestens ein dutzendmal mit ihnen geteilt. Diesen Besuch hatten sie bereits vor einem Monat geplant.
    »Ich hasse dieses Warten«, sagte Manuel. »Ich wünschte, wir könnten bei unserer Ankunft gleich in das Stasisnetz steigen.«
    »Das ist zu gefährlich«, sagte Lloyd Tennyson. Er war agil, langbeinig, ein prächtiger Athlet. Drei Spiegelscheiben glänzten auf seiner breiten Stirn.
    »Das ist es ja eben«, sagte Manuel. »Der Kitzel der Gefahr. Sofort untertauchen, alles riskieren mit einem kühnen Sprung.«
    »Und die Kostbarkeit unersetzlichen menschlichen Lebens?« fragte Will Mishima, ein junger Mann mit eng beieinanderstehenden Augen und kalkweißem Gesicht. »Es würde nie erlaubt werden. Das Risiko ist bekannt.«
    »Laß doch einen von deines Vaters Ingenieuren ein Stasisnetz erfinden, das sich selbst programmiert«, sagte Jed Guilbert. »Das würde die Gefahr ausschalten und das Warten überflüssig machen.«
    »Wenn sie es könnten, würden sie es tun«, bemerkte Tennyson.
    »Du könntest einen Wärter bestechen, dich springen zu lassen, ohne die Programmierung abzuwarten«, sagte Nick Ssu-ma mit listigem Blick.
    »Habe es versucht«, erwiderte Manuel. »Vor drei Jahren bei einem Alpha in dem Psychoschaltinstitut von Pittsburgh. Ich bot ihm tausend an; der Alpha lächelte nur. Ich verdoppelte mein Angebot, und er lächelte doppelt so breit. Er war nicht an Geld interessiert. Ich hatte das vorher nicht gewußt. Wie kann man einen Androiden bestechen?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Mishima. »Du kannst einen Alpha kaufen… du kannst ein ganzes Psychoschaltinstitut kaufen, wenn du willst, doch Bestechung ist eine andere Sache. Die Motivationen eines Androiden…«
    »Dann kaufe ich eben das Institut«, sagte Manuel.
    Jed Guilbert sah ihn forschend an. »Würdest du es wirklich riskieren, ohne Wartezeit in das Netz zu springen?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Auch wenn du weißt, daß du im Fall einer Überladung oder eines Transmissionsfehlers vielleicht nie wieder in deinen eigenen Kopf zurückkehren würdest?«
    »Wie sind die Chancen?«
    »Begrenzt«, sagte Guilbert. »Du hast noch eineinhalb Jahrhunderte zu leben. Hat es einen Sinn…«
    »Ich denke wie Manuel«, sagte Cadge Fester. Er war das am wenigsten gesprächige Mitglied der Gruppe, neigte zur Schweigsamkeit, doch wenn er sprach, sprach er mit Überzeugungskraft. »Risiko ist wesentlich für das Leben. Wir müssen Risiken auf uns nehmen, uns selbst aufs Spiel setzen.«
    »Sinnlose Risiken?« fragte Tennyson. »Der Identitätstausch würde um nichts an Qualität gewinnen, wenn wir ihn ohne Vorbereitung begännen. Der einzige Unterschied wäre der, daß wir uns die Wartezeit ersparen würden. Mir gefällt das Mißverhältnis zwischen Gewinn und Verlust nicht. Ein Jahrhundert aufs Spiel setzen, um ein paar Stunden zu gewinnen? So sehr langweilt mich das Warten nicht.«
    »Vielleicht langweilt dich das Leben selbst«, sagte Nick Ssu-ma. »Vielleicht bist du seiner so müde, daß du ein Jahrhundert gegen eine Stunde setzen würdest, nur so zum Spaß. Ich fühle tatsächlich manchmal so… du nicht? Es gab einmal ein Spiel, das

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