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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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auf dem Weg der Besserung. Gib mir Zeit. Es wird mir wieder bessergehen, und ich werde wieder fliegen.“
    Am nächsten Morgen begann Maris ernsthaft zu trainieren. Evan brachte ihr einen Satz steinerner Gewichte, mit denen sie arbeitete. Sie war entsetzt, als sie bemerkte, daß ihre beiden Arme, nicht nur der verletzte, durch die untätige Zeit völlig entkräftet waren.
    Erfüllt von der Idee, so bald wie möglich wieder zu fliegen, brachte Maris ihre Flügel zum Schmied des Landmannes, um sie dort reparieren zu lassen. Die Frau war vollkommen mit der Vorbereitung des bevorstehenden Krieges beschäftigt, aber der Wunsch eines Fliegers wurde niemals verwehrt. Sie versprach, die Streben innerhalb einer Woche zu reparieren, und sie hielt ihr Wort.
    An dem Tag, als die Flügel zurückgebracht wurden, untersuchte sie Maris sorgfältig. Sie faltete sie auseinander und wieder zusammen, bewegte die Streben, prüfte das Gewebe, um sicher zu sein, daß es dicht und richtig gespannt war. Ihre Hände waren dabei so geschickt, als hätten sie nie etwas anderes getan. Es waren die Hände einer Fliegerin. Nichts auf der Welt konnten sie besser, als ein Paar Flügel spannen. Maris war fast versucht, sich die Flügel umzuschnallen und zur Fliegerklippe zu gehen. Fast, aber nicht ganz. Ihr Gleichgewichtssinn war noch nicht wieder vollkommen hergestellt, obwohl sie schon fester auf den Füßen stand als zuvor. Jede Nacht unterzog sie sich heimlich dem Balkentest. Bisher war es ihr noch nicht gelungen, ihn ganz zu überschreiten. Aber sie übte fleißig. Noch war sie nicht für die Flügel bereit. Aber bald würde sie es sein. Bald.
    Wenn sie nicht trainierte, begleitete sie manchmal Evan auf seinen Spaziergängen in den Wald, wo er Kräuter sammelte oder Patienten besuchte. Er lehrte sie die Namen der Pflanzen, die er für seine Arbeit brauchte und erklärte ihr, wozu die Kräuter dienten, wann man sie verwenden sollte und wie. Er zeigte ihr auch alle möglichen Tiere. Das Wild in den Wäldern des Ostens unterschied sich von den Bewohnern der Wälder auf Klein Amberly. Maris fand die Tiere faszinierend. Evan kannte sich im Wald so gut aus, daß die Tiere ihn nicht fürchteten. Fremdartige weiße Krähen mit roten Augen nahmen Brotkrumen aus seiner Hand. Er kannte die verborgenen Eingänge von den Schlupfwinkeln der Höhlenaffen, die die Wildnis wabenartig durchlöcherten. Einmal griff er ihren Arm und zeigte ihr den Kapuzenhenker, der anmutig von Ast zu Ast glitt und eine nicht sichtbare Beute verfolgte.
    Maris erzählte ihm die Abenteuer, die sie am Himmel und auf anderen Inseln erlebt hatte. Seit fast vierzig Jahren war sie eine Fliegerin, und sie war immer noch begeistert davon. Sie erzählte ihm vom Leben auf Klein Amberly, von Sturmstadt mit seinen Windmühlen und seinen Kais, von den ungeheueren blau-weißen Gletschern Artellias und den Vulkanen auf Embers. Sie erzählte von der Abgeschiedenheit der Äußeren Inseln, die sich deutlich vom endlosen Ozean im Osten abhoben, und von der Kameradschaft, die auf Eyrie herrschte, bevor die Flieger in zwei Lager gespalten wurden.
    Aber sie erwähnte niemals das, was zwischen ihnen lag und sie trennte. Evan unterbrach Maris weder, wenn sie vom Fliegen sprach, noch erwähnte er ihre nicht sichtbare Kopfverletzung. Dieses Thema war wie der Weg an einem steilen Abgrund, der nicht breiter war als ein Brett, über das niemand gehen wollte. Maris behielt ihre gelegentlichen Schwindelanfälle für sich.
    Eines Tages, als sie sich wieder auf den Weg machten, bat Maris ihn, nicht tiefer in den Wald hineinzugehen. „Die vielen Bäume geben mir das Gefühl, im Haus zu sein“, erklärte sie. „Ich muß den Himmel sehen, das Meer und die Luft riechen. Wie weit ist das Meer entfernt?“
    Evan zeigte gen Norden. „Zwei Meilen in dieser Richtung. Dort wo die Bäume spärlicher werden.“
    Maris grinste ihn an. „Deine Stimme klingt enttäuscht. Macht es dich traurig, wenn du nicht von Bäumen umgeben bist? Du mußt ja nicht mitkommen, wenn du es nicht ertragen kannst, aber ich kann nicht verstehen, wie du im Wald atmen kannst. Er ist so finster und geschlossen. Da kann man nichts riechen als Dreck, Verwesung und faules Laub.“
    „Ein wundervoller Duft“, sagte Evan und lächelte. Sie gingen Richtung Norden. „Für meinen Geschmack ist das Meer zu kalt, zu leer und zu groß. Ich fühle mich nur im Wald wohl und zu Hause.“
    „O Evan, wir beide sind so verschieden!“ Sie streichelte seinen Arm

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