Kinder der Stürme
Erleichterung, außer einigen Landwachen, die gehofft hatten, mit Taschen voller Eisen zurückzukehren. Alle feiern. Wir sollten auch feiern.“
Evan ging zu seinem Korb und wühlte in den Kräutern. Er zog einen großen Mondfisch heraus. „Ich dachte, Meeresfrüchte würden dir gefallen“, sagte er. „Ich kenne ein Rezept mit Thymian und Mandeln, das wird deine Zunge zum Singen bringen.“ Er nahm ein langes Knochenmesser und nahm den Fisch aus. Während er arbeitete, pfiff er vergnügt. Seine gute Laune war derart ansteckend, daß auch Maris lachen mußte.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Evan blickte verwundert auf. „Zweifellos ein Notfall“, sagte er fluchend. „Mach bitte auf, Maris. Meine Hände sind voller Fisch.“
Das Mädchen, das in der Tür stand, trug eine grüne mit Pelz besetzte Uniform. Eine Land wache. Eine Läuferin des Landmannes. „Bist du Maris von Klein Amberly?“ fragte sie.
„Ja“, sagte Maris.
Das Mädchen nickte. „Der Landmann von Thayos sendet dir seine besten Grüße und bittet dich und den Heiler Evan, ihm morgen abend bei einem Dinner die Ehre zu geben, falls deine Gesundheit es erlaubt.“
„Meine Gesundheit erlaubt es“, gab Maris schnippisch zurück. „Wie kommen wir zu der Ehre, mein Kind?“
Trotz seines Alters ging eine gewisse Ernsthaftigkeit von dem Mädchen aus. „Der Landmann hat alle Flieger eingeladen. Daß du in seinen Diensten verletzt wurdest, hat ihn schwer getroffen. Er möchte allen Fliegern, die in der vergangenen Krise für Thayos geflogen sind, seine Dankbarkeit zeigen, selbst wenn der Einsatz nur kurz war.“
„Oh“, sagte Maris, die damit noch nicht zufrieden war, denn der Landmann von Thayos war ihr nicht wie jemand erschienen, der darauf bedacht ist, seine Dankbarkeit zu zeigen. „Ist das alles?“
Das Mädchen zögerte. Seine Sicherheit schien zu weichen, und Maris erkannte, daß es tatsächlich noch sehr jung war. „Dies gehört nicht zu der Botschaft, Fliegerin, aber …“ Evan hatte aufgehört zu arbeiten und hatte sich hinter Maris gestellt.
„Heute am Spätnachmittag ist eine Fliegerin mit einer vertraulichen Botschaft für den Landmann angekommen. Er hat sie in seinen Privaträumen empfangen. Ich glaube, sie war aus dem Westen. Sie war sonderbar gekleidet und trug ihre Haare sehr kurz.“
„Beschreibe sie, wenn du kannst“, sagte Maris. Sie nahm eine Kupfermünze aus der Tasche und spielte damit.
Das Mädchen sah die Münze und lächelte. „Oh, sie war aus dem Westen, jung, zwanzig oder fünfundzwanzig. Sie hatte schwarze Haare, geschnitten wie deine. Sie war sehr hübsch. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden gesehen, der so schön ist. Sie hatte ein hübsches Lächeln, für meinen Geschmack, aber der Wirt mochte sie nicht. Sie sagten, sie hätte ihnen nicht einmal für ihre Hilfe gedankt. Grüne Augen. Sie trug einen Stehkragen mit drei Litzen aus farbigem Seeglas. Reicht das?“
„Ja“, sagte Maris. „Du bist ein guter Beobachter.“ Sie gab dem Mädchen die Münze.
„Kennst du sie?“ fragte Evan. „Diese Fliegerin?“
Maris nickte. „Ich kenne sie, seit sie geboren wurde. Auch ihre Eltern kenne ich sehr gut.“
„Wer ist sie?“ fragte er ungeduldig.
„Corina“, sagte Maris, „von Klein Amberly.“
Die Läuferin blieb an der Tür stehen. Maris sah sie fragend an. „Ja?“ fragte sie. „Ist noch etwas? Wir nehmen die Einladung selbstverständlich an. Richte dem Landmann unseren Dank aus.“
„Da ist noch etwas“, sagte das Mädchen. „Ich hätte es beinahe vergessen. Der Landmann bittet dich untertänigst, deine Flügel mitzubringen, wenn es deine Gesundheit erlaubt.“
„Selbstverständlich“, sagte Maris. „Selbstverständlich.“
Sie schloß die Tür.
Die Feste des Landmannes von Thayos war ein finsterer, kriegerischer Ort, der in einiger Entfernung von den Städten und Dörfern der Insel in einem schmalen abgeschlossenen Tal lag. Sie lag dicht am Meer, war aber durch eine massive Felswand davor geschützt. Zu Land führten nur zwei Wege dorthin. Beide wurden von Landwachen gesichert. Auf der höchsten Erhebung stand ein steinerner Wachturm. Alle Pfade, die zur Festung führten, liefen geradewegs auf ihn zu. Die Festung selbst war alt und düster. Sie war aus großen verwitterten schweren Steinblöcken erbaut. Die Rückseite der Festung lag zum Berg hin. Von ihrem letzten Besuch wußte Maris, daß der größte Teil der Räume unter der Erdoberfläche lag. Sie waren direkt in den
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