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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Fischer, Bäcker und Glasbläser. Als dann die Wettkämpfe stattfanden und die Flieger und Fliegerkinder die Landgebundenen besiegten, waren sie bestürzt.
    Aber damals waren sie zumindest betroffen. Heute haben sie bereits resigniert. Seit der Versammlung vor sieben Jahren, seit dem siebenjährigen Bestehen der Akademien, hat es nur ein Landgebundener geschafft, die Flügel zu erlangen, und auch er hat ein Jahr später im Wettkampf wieder verloren. Heutzutage kommt die Inselbevölkerung nur zu den Treffen, um Fliegerkinder in den Wettbewerben kämpfen zu sehen. Über che Herausforderungen der Holzflügler wird gesprochen, als seien sie eine Art lustiges Zwischenspiel, die kurze Vorstellung eines Spaßmachers, um die Pause zwischen den ernsthaften Wettkämpfen zu überbrücken.“
    „Sena, Sena“, sagte Maris betroffen. Die ältere Frau hatte die ganze Leidenschaft ihres gebrochenen Lebens an die Träume der jungen Leute, die nach Holzflügel kamen, um den Himmel zu gewinnen, vergeudet. Nun war sie sichtlich erregt, ihre Stimme zitterte. „Ich verstehe deine Verzweiflung“, sagte Maris und nahm Senas Hand, „aber es ist nicht so schlimm, wie du sagst.“
    Senas gesundes Auge sah Maris skeptisch an. Sie zog ihre Hand zurück. „Es ist schlimm“, beharrte sie. „Dir erzählen sie natürlich nichts. Niemand möchte schlechte Nachrichten überbringen, und sie wissen, was die Akademie dir bedeutet. Aber es ist wahr.“ Maris wollte sie unterbrechen, aber Sena gebot ihr zu schweigen. „Nein, es reicht. Ich will nichts mehr hören. Ich habe dich weder gerufen, weil ich Komplimente hören wollte, noch um zu spät zum Frühstück zu kommen. Ich wollte dir unter vier Augen sagen, was geschehen ist, bevor ich es den anderen mitteile. Außerdem wollte ich dich bitten, für mich nach Groß Shotan zu fliegen.“
    „Heute?“
    „Ja“ sagte Sena. „Du hast die Kinder ordentlich unterrichtet. Es ist eine Ehre für sie, einen aktiven Flieger in ihrer Mitte zu haben. Aber wir können dich nur einen Tag entbehren. Der Flug wird nur einige Stunden dauern.“
    „Ja, sicher.“ sagte Maris. „Worum geht’s?“
    „Der Flieger, der der Landfrau die Nachrichten über Luftheim gebracht hat, übermittelte noch eine weitere Nachricht. Eine private Mitteilung für mich. Einer der Studenten von Nord möchte seine Ausbildung hier fortsetzen und hofft, daß ich ihn beim nächsten Wettkampf unterstütze. Nun bittet er um die Erlaubnis, anreisen zu dürfen.“
    „Hierher?“ fragte Maris ungläubig. „Von den Östlichen Inseln? Ohne Flügel?“
    „Er besitzt den Mut eines Händlers und will sich auf die offene See wagen, habe ich gehört“, erklärte Sena. „Die Reise ist sicherlich gefährlich, aber wenn er es wagen will, kann ich ihm die Aufnahme nicht verweigern. Teile dem Landmann von Groß Shotan mein Einverständnis mit. Jeden Monat schickt er drei Flieger zu Östlichen Inseln, und morgen ist wieder einer an der Reihe. Aber es muß schnell gehen, denn die Schiffe brauchen einen vollen Monat, selbst wenn die Winde freundlich stehen, und der Wettkampf findet bereits in zwei Monaten statt.“
    „Ich könnte die Nachricht selbst zum Ostarchipel bringen“, schlug Maris vor.
    „Nein“, sagte Sena. „Wir brauchen dich hier. Bring meine Antwort nach Groß Shotan und komm zurück, damit du meine tolpatschigen Vögel auf ihren Flügen begleiten kannst.“ Unsicher erhob sie sich aus ihrem Rohrsessel. Maris sprang auf, um ihr behilflich zu sein. „Nun sollten wir frühstücken gehen“, fuhr Sena fort. „Du mußt vor deinem Flug etwas essen. Außerdem haben wir so lange geredet, daß uns die anderen womöglich nichts übriggelassen haben.“
    Aber das Frühstück stand noch im Gemeinschaftsraum bereit. Zwei Feuerstellen hielten den großen Raum warm und erleuchteten ihn an diesem trüben Morgen. Leicht gebogene Steinwände stiegen empor, um eine gewölbte und geschwärzte Decke zu bilden. Die wenigen Möbel waren rustikal; drei lange Holztische, an deren Längsseiten Bänke standen. Auf den Bänken saßen Studenten. Sie sprachen, machten Witze und lachten. Die meisten hatten ihre Mahlzeit fast beendet. Beinahe zwanzig Fluganwärter befanden sich in der Akademie. Ihr Alter lag zwischen dem einer Frau, die zwei Jahre jünger war als Maris, und dem eines schüchternen Jungen von zehn Jahren.
    Als Maris und Sena den Raum betraten, wurde es nur unmerklich stiller. Sena mußte schreien, um sich in dem Lärm und Geklapper Gehör zu

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