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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Liebe ist, warum gibt es dann überhaupt das Böse? Ist die Welt wie ein Roman, in dem Schurken vorkommen, damit er spannender wird, und in dem die Tugend erst im dritten Band
triumphiert? Es steht fest, daß
die Gefühle der Kinder der Schöp- fung in keiner Weise berücksich- tigt wurden. Wenn es tatsächlich so etwas wie ein Jüngstes Gericht
gäbe, dann stünde es dem Menschen
an, nicht als Verbrecher vor seiner Schranke zu erscheinen, sondern als Ankläger.«
    Winwood Reade:
    Das Martyrium des Menschen
    Wie sich zeigte, bedurfte es geringer Überredungskunst, um Harry Shay davon zu überzeugen, seine Firma zu verkaufen und nach England zurückzukehren. Die Alternative wäre gewesen, zu bleiben und als Ge- schäftsführer einer aufgekauften Niederlassung weiter- zuarbeiten, doch es entsprach nicht seinem Charakter, in einem Komitee oder gar nach Absprache mit anderen
zu arbeiten, und schon gar nicht, seine Vorstellungen ei- ner übergeordneten Stelle zur Genehmigung darlegen zu müssen. Alice fiel die Entscheidung bei weitem schwerer — sie hatte sich an das kalifornische Wetter so
sehr gewöhnt —, doch David machte ihr die Sache ge- schickt schmackhaft, so daß sie schließlich klein beigab. Es bestand also keine Notwendigkeit, die geheimen Bankkonten auf den Bahamas zu erwähnen.
    Die Firma erzielte einen ausgezeichneten Verkaufs- preis, der wesentlich höher lag, als der düstere Gold- farb vorausgesagt hatte. Aber schließlich war dem po-
tentiellen Käufer auch die Ehre zuteil geworden, zu ei- nem Dinner im Hause der Shays eingeladen zu sein, und bei dieser Gelegenheit hatte David die Möglichkeit, seinen letzten Widerstand zu brechen. Kurz gesagt, al- les lief außerordentlich gut — oder fast alles.
    Die Ausnahme hatte ihren Grund in einem Mann na- mens Pedro Gui, einem der Dealer, der dank Davids
glorreicher Entdeckung schöne Gewinne machte. Doch offenbar hatte er einen schwerwiegenden Fehler be- gangen: Er hatte das Produkt viel zu oft selbst pro- biert.
    Dank bestimmter Vorkehrungen, die er nach dem Be-
such des FBI getroffen hatte, hatte sich David eingebil- det, daß seine Identität geschützt sei. Wie Gui ihn aus-
findig gemacht hatte, war ihm ein Rätsel, doch an dem
Samstag vor der Abreise der Familie, als er allein zu Hause war — abgesehen von Bethsaida, die sich in der Küche befand —, kam ein unbekannter Wagen vorge- fahren, und ein schwarzhaariger Mann mit fahler Ge-
    sichtsfarbe, Ende Zwanzig, stieg aus. Nachdem er sich kurz einen Überblick über die Lage verschafft hatte, ging er geradewegs hinüber zu David, der im trockenen Gras lag und seine Aufmerksamkeit zur Hälfte einem Buch und zur anderen Hälfte einer Sendung von Radio Pacifi- ca widmete.
    Die Jacke des Angekommenen zeigte an einer Stelle eine deutliche Erhebung; das war das erste, was der Junge an ihm wahrnahm.
    Eiseskälte breitete sich in seinem Gesicht aus, wäh-
rend er aufstand. Seinen Eltern seinen Willen aufzu-
zwingen, die er schon sein ganzes Leben lang kannte, oder der einfältigen und gutmütigen Bethsaida oder Ge- schäftsleuten, die sich aufgrund ihrer Habgier manipu- lieren ließen, oder selbst einem FBI-Beamten — all das war etwas anderes als bei einem unberechenbaren, be- waffneten Fremden, der, dem irren Blick seiner Augen nach zu urteilen, unter dem Einfluß einer oder mehrerer Sorten von Drogen stand.
    Nachdem er David von Kopf bis Fuß gemustert hatte, sagte er ungläubig: »Du? Gottverdammt! Ich habe es nicht geglaubt, als mir jemand sagte, daß du noch ein Kind bist ... Du bist also wirklich David Shay?« fügte er in skeptischem Ton hinzu. »Der Typ, der sich all die ge- nialen Arten von Hefepilzen ausgedacht hat?«
    David, der eine Unverfrorenheit vortäuschte, von der er jedoch weit entfernt war, erwiderte: »Klar. Und wenn mich nicht alles täuscht, bist du Pedro Gui — ha- be ich recht?« Er hatte stets Wert darauf gelegt, die Personalien der Dealer festzustellen, mit aller Diskretion
natürlich.
    »Wieso, zum Teufel, weißt du ... ach, Scheiße! Du kennst also mich, und ich kenne dich. Damit steht es eins zu eins, schätze ich.«
    Ein Klappstuhl mit Segeltuchbespannung stand in der Nähe. David machte eine Handbewegung in seine Richtung.
    »Du hörst dich so an, als hättest du ein Geschäft zu
besprechen. Normalerweise kommt so etwas für mich nicht in Frage, aber da du offenbar allerlei Mühe auf dich genommen hast, um mich zu finden, gehe ich da- von aus, daß es dringend ist. Möchtest

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