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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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du dich setzen,
bevor wir uns unterhalten?«
    Gui schüttelte den Kopf, als ob er eine Falle witterte. »Ich muß dir bloß eins sagen: Steig ja nicht aus!«
    »Ich verstehe nicht«, sagte David scheinheilig.
    »Ich sagte, du sollst nicht aussteigen! Die Sache ist die: Du kannst das ganze Unternehmen platzen lassen. Das werde ich verhindern!«
    Den letzten Satz äußerte er mit so viel Nachdruck, daß kleine Speicheltropfen von seinen Lippen spritzten und in der Sonne glitzerten.
    David entspannte sich ein wenig. Gui hatte offenbar keine Beherrschung über sich selbst, und an diesem Punkt konnte er mit seinem Eröffnungszug ansetzen. Allerdings müßte er ihn rasch durchführen, denn Harry
und Alice würden bald zurückkommen — er hatte, als der Wagen vorgefahren war, eigentlich damit gerechnet, daß es der ihre wäre.
    Einen Moment lang erwog er, auf gegnerischen Kurs zu gehen: Und wie willst du mich davon abhalten? Aber er war sich zu sehr der Anwesenheit der Waffe bewußt. Statt dessen sagte er: »Warum nicht? Es gibt andere De- signer ...«
    »Keiner ist wie du!« Gui faltete die mageren Hände und drückte sie so fest zusammen, daß die Sehnen wulst- artig hervortraten. »Mann, hast du eine Ahnung, wie gut das Scheißzeug ist, das du den kleinen Viechern zu
machen beigebracht hast? Nein, ich glaube, du selbst
nimmst gar nichts davon. Wie der Chef eines Fein- schmecker-Restaurants, der sich auf dem Nachhause- weg einen mickrigen Cheeseburger kauft. Aber... o Mann! Hör zu!« Er kam näher zu David heran und senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern.
    »Hör zu, Mann! Du bist auf dem besten Weg zum
Großen L, verstehst du? Kannst du mir folgen?«
    Mit ausgetrocknetem Mund nickte David. Wie die Le- gende in die Welt gekommen war, vermochte wahrschein- lich keiner zu sagen, doch während der letzten Jahre war das schlichte Symbol eines L überall auf Wände ge- schmiert worden, von Baja bis Nantucket, von Taos bis Yellowknife und vielleicht auch noch anderswo. Im Fernsehen hatte es eine Sendung gegeben, die er sich rein aus beruflichem Interesse angeschaut hatte. Das
Symbol stand für die Überzeugung, die unter Drogen- konsumenten verbreitet war, daß jetzt bald, sehr bald das Große L entdeckt oder vielmehr erfunden werden
würde — die Droge aller Drogen, die die absolute Erleuchtung bescherte, das Begreifen des Sinns der Welt.
    Vielleicht — so erinnerte er sich, während der Sen- dung gedacht zu haben — war das die Gegenkultur als
Antwort auf die Lehre vom Eingehen ins Ewige Para- dies. Wenn so viele Menschen an das baldige Nahen des
Jüngsten Tags glaubten, war es schwierig, sich nicht da- von anstecken zu lassen, und sei es nur durch die Über-
zeugungskraft einer ständigen Wiederholung. Die Dro- ge der Drogen, die Über-Super-Droge, war ebenso ein
Hirngespinst, doch für die Mehrheit der Armen und Enttäuschten ein entschieden glaubhafteres.
    Aber Gui sprach immer noch. Um genau zu sein, er
sagte gerade: »... ich laß dich nicht aussteigen! Nicht jetzt, da du so kurz vor dem Ziel bist!«
    Davids innere Ruhe nahm zu. Dieser Mann machte sich lediglich selbst vor, daß er hierhergekommen sei,
um ihm zu drohen; in Wirklichkeit war er gekommen, um zu betteln und zu flehen.
    In diesem Fall ...
    »Was glaubst du, warum ich aussteige? Laufen meine Geschäfte nicht glänzend? Meinst du nicht, daß ich be- reits ein Vermögen damit verdient habe? Und wie du
    sagtest, ich bin noch ein Kind — das läßt sich nicht leug- nen, weil's wahr ist. Was glaubst du also, warum ich im Begriff bin, den Laden aufzulösen, wenn nicht deshalb, weil ich an meinem Ziel angekommen bin?«
    Er wartete, daß der andere den Köder schnappen würde. Guis durch die Drogen verlangsamter Denkpro- zeß war so deutlich an seinem Gesicht abzulesen wie auf dem Bildschirm eines Computers. Schließlich riß er die Augen vor Staunen weit auf und preßte heraus: »Du ... hast es?«
    »Das L — für das Letzte«, bestätigte David feierlich. »Und weil du, wie gesagt, bisher der einzige Typ bist,
der dahintergekommen ist, würde ich sagen, du hast es verdient, daß du's als erster ausprobierst!«
    Inzwischen sabberte Gui förmlich vor Gier. Er streck- te beide Hände aus, mit den Handflächen nach oben und fürchterlich zitternd, und flüsterte: »O Mann! Da- von träume ich schon so lange ... wieviel?«
    Rasch griff er zur Innentasche seiner Jacke, ohne sich
darum zu scheren, daß bei dieser Bewegung die Waffe sichtbar wurde. Er zog

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