Kinder des Donners
war. »Aber einver- standen, >konstruktiv< will ich mir gefallen lassen. Wenn ich gewußt hätte, daß du persönliche Erfahrungen mit künstlicher Befruchtung hast, hätte ich mich längst frü- her an dich gewandt.«
»Das waren keine persönlichen Erfahrungen. Genau das Gegenteil. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine so total unpersönliche Erfahrung gemacht. Daran liegt es auch — wie ich schon sagte —, daß ich buch- stäblich seit zehn Jahren keinen Gedanken mehr daran
verschwendet habe.«
»Waren alle Spender mit so wenig Begeisterung bei der Sache wie du?«
»Das hoffe ich. Das hoffe ich sehr. Stell dir mal vor, man würde sich auch noch in eine rein biologische Va- terschaft reinhängen!«
»Du verlangst von mir, ich soll mir das vorstellen?« Ihre Stimme klang seltsam sanft, nicht die Spur von spöttisch, während sie ihn mit dieser merkwürdig künstlich anmutenden Iris forschend ansah. »Ausge- rechnet von mir, die ich mir nicht einmal vorstellen kann, mich in eine Mutterschaft reinzuhängen? Oder ist
dir nichts aufgefallen?«
Einen Augenblick lang war er verwirrt; dann ging ihm ein Licht auf. Nachdem sie so viel Zeit allein in sei- ner Gesellschaft verbracht hatte, warnte sie ihn, daß er ja nicht versuchen sollte, ihr einen Gutenachtkuß zu ge- ben oder auf andere Ideen zu kommen. Aber das war si-
cher nur ein Reflex. Er hatte nicht bemerkt, daß sie les- bisch war, obwohl er jetzt annehmen mußte, daß sie es war oder zumindest dafür gehalten werden wollte ...
Ach du liebe Güte! Irrungen und Wirrungen unserer Ge- sellschaft ...
»Soll ich dir ein Taxi rufen?« fragte er schließlich, nachdem er zu dem Schluß gekommen war, daß die
ganze Angelegenheit zu unbedeutend war, um noch mehr Atem dafür zu verschwenden.
»Nein danke. Ich denke, ich werde selbst eins auftrei- ben.«
War das der Ton einer beleidigten Feministin? — Pe- ter war zu müde und möglicherweise zu betrunken, um sich darauf einen Reim zu machen. Er sagte mit aller Herzlichkeit, die er noch aufbringen konnte: »Ich fühle
mich sehr geschmeichelt, daß du mir deine Daten zu- gänglich gemacht hast. Ich werde so hilfreich sein wie möglich.«
»Prima. Und vergiß nicht, ich habe immer noch die Zusage, die du bei unserem gemeinsamen Abendessen
unterschrieben hast.«
»Als ob ich das vergessen könnte!«
Als sie endlich gegangen war, schlich Peter in das Zim-
mer, das Ellens geworden war. Sie schlief fest, mit den Kopfhörern der Stereoanlage immer noch auf den Oh- ren, obwohl der Sender, den sie eingestellt hatte, längst nichts mehr brachte.
Während er sie ihr mit äußerster Sanftheit abnahm, blickte er sich um und sah etwas, das er niemals in ir- gendeiner seiner Wohnungen zu finden erwartet hätte: das Schlafzimmer eines Teenagers. Es war ein eigenarti- ges Gefühl, seine ehemaligen Besitztümer in diesem neuen Zusammenhang zu sehen. Besonders beein- druckt war er von der Art, wie sie den Computer, den er ihr überlassen hatte, sich zu eigen gemacht hatte. Er
mußte zugeben, daß der Unterricht an ihrer früheren
Schule außerordentlich gut gewesen sein mußte, denn sie hatte die Eigenarten seines eher etwas esoterischen Potentials bemerkenswert schnell erfaßt und konnte sich stundenlang mit wachsender Begeisterung mit ihm beschäftigen.
Er hoffte nur, daß sie seine Rechnung nicht gewaltig in die Höhe trieb, indem sie ferne Datenspeicher abrief.
Alle anderen Veränderungen waren jedoch aus- schließlich von ihr ausgegangen: undefinierbare ju-
gendlich-plus-weibliche Akzente, durch die sogar die Möbel anders aussahen ...
Es hatte keinen Sinn. Er konnte sie wirklich nicht de-
finieren. Sie waren einfach da.
Und er sollte besser nicht länger herumstehen, nicht nach soviel Whiskey und einer so merkwürdigen Unterhaltung. Bildete sich Claudia wirklich ein, das Glück hätte ihr die genetische Komponente der Krimi-
nalität zugespielt? Entgegen all ihren bisherigen Über- zeugungen und die aller anderen Menschen?
Das war zuviel, um es auf einmal zu verdauen. Peter löschte alle Lichter und schlich sich so leise wie möglich zu seinem Bett.
Bis zum nächsten Morgen hatte er einen festen Ent- schluß gefaßt.
Er würde Claudias Spur folgen. Er mußte als nächstes soviel Geld sowohl bei Jake Lafarge als auch bei TV-Plus lockermachen, wie nur möglich war, um seine Nachfor- schungen zu finanzieren.
Es gab in der ganzen Szene einfach keinen anderen vielversprechenden Aspekt.
»Doch wenn Gott die
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