Kinder des Holocaust
scharfen Tonfall angenommen und klang nach böser Entrüstung. Plötzlich war es vorbei mit seiner Spaßhaftigkeit. »Er will nicht, daß seine Verkäufer ins Geschäft zurückkommen und riechen wie eine ganze Brauerei«, entgegnete Stuart, »und ich halte diesen Standpunkt für richtig. Viele ältere weibliche Kunden könnten sich davon abgestoßen fühlen.«
»Was Verkäufer wie Sie angeht, kann ich das einsehen«, sagte Hoppy, »aber ich bin kein Verkäufer. Ich bin Techniker, und ich kann ein Bier trinken, wenn ich will.«
Der Grillkeeper schaute mißbehaglich drein. »Nun hör mal, Hoppy ...«, begann er.
»Du bist noch zu jung, um Bier zu trinken«, sagte Stuart. Inzwischen sahen und hörten sämtliche Anwesenden zu.
Das Gesicht des Phokos verfärbte sich knallrot. »Ich bin volljährig«, erklärte er mit beherrschter, gepreßter Stimme.
»Er bekommt kein Bier«, sagte Connie, die Kellnerin. »Er ist doch bloß 'n Junge.«
Mit einem Greifer langte Hoppy in eine Tasche und zückte seine Brieftasche; aufgeklappt legte er sie auf die Theke. »Ich bin einundzwanzig«, sagte er.
Stuart lachte. »Unsinn.« Er muß irgendein falsches Ausweispapier bei sich haben, schlußfolgerte er. Der verrückte Bursche hat es selber gedruckt oder gefälscht oder dergleichen. Er muß unbedingt genauso sein wie alle; er ist besessen davon.
»Jawohl, hiernach ist er volljährig«, sagte der Grillkeeper, der das in der Brieftasche befindliche Papier betrachtete. »Hoppy, denk aber dran, wie's das letzte Mal war, als du hier Bier getrunken hast, erinnere dich daran, daß ...«
»Sie sind dazu verpflichtet«, sagte der Phoko, »mich zu bedienen.«
Der Grillkeeper gab ein Brummen von sich und ging eine Flasche Hamm holen, die er Hoppy ungeöffnet hinstellte.
»Einen Öffner«, sagte der Phoko.
Der Grillkeeper ging einen Öffner besorgen und warf ihn Hoppy über die Theke zu, und Hoppy machte die Flasche auf.
Der Phoko schöpfte tief Atem und trank das Bier.
Was ist hier eigentlich los? wunderte sich Stuart, als er
bemerkte, wie der Grillkeeper und Connie – und sogar einige Gäste – Hoppy beobachteten. Kippt er davon um? Läuft er womöglich Amok? Er fühlte sich angewidert und verspürte gleichzeitig tiefes Unbehagen. Wäre ich bloß schon mit dem Essen fertig, wünschte er sich. Wäre ich nur schon hier raus. Was hier auch vorgeht, ich möchte es nicht mitansehen. Ich werde in den Laden zurückgehen und mir wieder die Rakete anschauen, fällte er einen Entschluß. Ich werde mir ansehen, wie Dangerfield startet, ein für Amerika unheimlich bedeutendes Ereignis, ganz was anderes als dieser Freak, ich habe keine Zeit, um sie mit ihm zu verschwenden.
Aber er blieb, wo er saß, denn irgend etwas bahnte sich da an, irgendeine Sonderlichkeit mit Hoppy Harrington; er war dazu außerstande, ihm seine Aufmerksamkeit zu entziehen, wie sehr er sich auch bemühte.
Mitten auf seinem Karren war der Phoko zusammengesunken, als schliefe er ein. Sein Kopf ruhte auf dem Steuergriff, mit dem er das Fahrzeug zu lenken pflegte, und die Augen waren ihm beinahe zugefallen; ihr Ausdruck war glasig geworden.
»Menschenskind«, sagte der Grillkeeper. »Da haben wir wieder die Bescherung.« Er wirkte, als wolle er, daß die anderen ringsherum irgend etwas unternähmen, doch niemand regte sich; alle standen oder saßen, wo sie sich schon zuvor befunden hatten.
»Ich hab's gleich gewußt«, sagte Connie im Ton bitteren Vorwurfs.
Die Lippen des Phokos bebten. »Fragt mich was«, brabbelte er. »Jetzt frage mich einer was.«
»Was sollen wir fragen?« entgegnete der Grillkeeper verärgert. Er vollführte eine Geste des Mißmuts, drehte sich um und kehrte zurück an seinen Grill.
»Fragt mich«, wiederholte Hoppy mit dumpfer Stimme, die klang, als käme sie aus erheblicher Ferne, ganz als ob er während einer Art von Anfall spräche. Beim Zuschauen erkannte Stuart, daß es sich tatsächlich um so etwas wie einen Anfall handelte, wahrscheinlich Epilepsie vorlag. Noch immer verspürte er das Verlangen, sich auf und davon zu machen, aber er vermochte sich nicht vom Fleck zu rühren; genau wie die anderen fühlte er sich irgendwie zum Zusehen gezwungen.
»Können Sie ihn nicht wieder in den Laden schieben?« wandte sich Connie an Stuart. »Sie brauchen ihn ja nur ein bißchen zu schieben.« Sie musterte ihn gereizt, aber schließlich trug Stuart an alldem keine Schuld; er wich zurück und gab ihr mit einer Gebärde seine Ratlosigkeit zu
Weitere Kostenlose Bücher