Kinder des Holocaust
verstehen.
Der Phoko warf sich auf seinem Karren hin und her und nuschelte, seine Greifarme aus Metall und Plastik zuckten kreuz und quer herum. »Befragt mich danach«, sagte er. »Kommt, los, ehe 's zu spät ist, jetzt kann ich was sagen, ich seh's.«
»Es wäre mir lieber«, sagte vom Grill herüber laut der Grillkeeper, »jemand würde ihn was fragen, damit wir die Sache hinter uns bringen. Ich weiß, daß irgendwer ihn jetzt was fragen muß, und wenn keiner ihn was fragt, muß ich's halt machen ... ich habe nämlich 'n paar Fragen an ihn.« Er schmiß seinen Heber hin und ging wieder zu dem Phoko. »Hoppy«, sprach er ihn an, »das letzte Mal hast du gesagt, alles sei finster. Stimmt's? Ohne jedes Licht.«
Die Lippen des Phokos zuckten. »Wenig Licht. Schwaches Licht. Gelb und wie fast erloschen.«
Der in mittleren Jahren befindliche Juwelier von der Parallelstraße schob sich an Stuarts Seite. »Das letzte Mal war ich auch hier«, flüsterte er Stuart zu. »Wissen Sie, was er sieht? Ich kann's Ihnen sagen. Glauben Sie mir, Stu, er schaut das Drüben.«
»Was für 'n Drüben?« hakte Stuart nach und erhob sich, um besser sehen und hören zu können; alle hatten sich mittlerweile enger um Hoppy geschart, als wolle niemand etwas versäumen.
»Sie wissen doch«, sagte Mr. Crody. »Jenseits des Grabes. Das Jenseits. Lachen Sie ruhig, Stuart, aber 's is' wahr, wenn er ein Bier trinkt, gerät er in Trance, so wie Sie's jetzt selber sehen, und dann hat er okkulte Visionen oder so was. Fragen Sie Tony oder Connie oder diesen und jenen von den Gästen, sie waren bei der Gelegenheit auch anwesend.«
Connie beugte sich über die zusammengesackte Gestalt, die in der Mitte des Karrens kauerte und zuckte. »Hoppy, woher kommt das Licht? Kommt's von Gott?« Sie lachte nervös. »Du weißt, so wie's in der Bibel steht. Ich meine, ist es wahr?«
»Grau, Düsterkeit«, lallte Hoppy. »Wie Asche. Dann eine weite Ebene. Nichts außer Feuern, die da brennen, das Licht stammt vom Lodern der Feuer. Sie brennen für alle Ewigkeit. Nichts Lebendes.«
»Und wo bist du?« wollte Connie wissen.
»Ich ... schwebe«, antwortete Hoppy. »Schwebe überm Boden ... nein, jetzt bin ich sehr hoch. Ich bin völlig gewichtslos, ich habe keinen Körper mehr, deshalb bin ich so hoch, so hoch wie ich nur sein will. Ich kann hier schweben bleiben, wenn ich mag. Ich muß nicht zurück nach unten. Mir gefällt's hier, ich kann für alle Zeiten um die Erde schweben. Sie liegt dort unter mir, und ich kann immerzu weiter schweben und schweben.«
»Eh, Hoppy«, fragte Mr. Crody, der Juwelier, indem er zu dem Gefährt trat, »ist da sonst niemand? Ist jeder einzelne von uns zur Einsamkeit verdammt?«
»Ich ... ich sehe jetzt andere«, murmelte Hoppy. »Ich schwebe zurück hinab, ich begebe mich hinunter ins Grau. Ich gehe umher.«
Er geht, dachte Stuart. Auf was denn? Beine ohne Körper – wahrscheinlich ein schönes Leben nach dem Tod. Insgeheim lachte er. Was für ein alberner Auftritt, dachte er. Was für ein Humbug. Aber auch er trat näher zu dem Fahrzeug, drängte sich ein wenig vor, um sehen zu können.
»Heißt das, daß du in einem anderen Leben wiedergeboren worden bist, so wie man es im Fernen Osten lehrt?« erkundigte sich eine ältere Dame in einem Popelinmantel.
»Ja«, lautete zur allgemeinen Überraschung Hoppys Antwort. »In einem neuen Leben. Ich habe einen anderen Körper. Damit kann ich alles mögliche tun.«
»Ein echter Schritt nach vorn«, merkte Stuart an.
»Ja«, nuschelte Hoppy. »Ein Schritt nach vorn. Ich bin wie jeder andere. Ja, ich bin sogar besser als jeder andere. Ich kann alles tun, was sie tun können, sogar viel mehr. Ich kann gehen, wohin ich möchte, aber sie nicht. Sie können sich nicht bewegen.«
»Warum können sie sich nicht bewegen?« fragte der Grillkeeper nach.
»Sie können's eben nicht«, erwiderte Hoppy. »Sie können nicht hinauf in die Luft, nicht auf die Straßen und nicht auf Schiffe. Sie bleiben ganz einfach, wo sie sind. Es ist alles anders als hier. Ich kann jeden einzelnen von ihnen sehen, sie sind wie tot, sie sind wie hingestreckt und tot. Wie Leichen.«
»Können sie sprechen?« fragte Connie.
»Ja«, antwortete der Phoko. »Sie können sich miteinander unterhalten, Aber ... sie müssen ...« Er schwieg, dann lächelte er; sein hageres, verzerrtes Gesicht zeigte offene Freude. »Sie können sich nur durch mich verständigen.«
Ich wüßte gerne, was das wohl zu bedeuten hat,
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