Kinder des Judas
ich schnappe zu.
Meine Lippen spüren warmes Fell, ich habe die Kehle des Vampirs getroffen. Sofort beiße ich zu, reiße ihm den Hals zu mehr als zwei Dritteln weg und spucke den Brocken aus. Er ist schwer angeschlagen, das muss ich nutzen.
Sein Schlag trifft mich mitten ins Gesicht, die Schatten geben ihm zu viel Deckung. Aber es gelingt mir, ihn am Arm zu greifen und zu mir zu ziehen. Den nächsten Hieb nehme ich ebenfalls in Kauf, dafür ramme ich ihm meinen Dolch ins Herz und beiße wieder nach seinem Hals. Es ist kaum Fleisch nachgewachsen, ich kann ihm seinen Nacken mühelos durchtrennen. Der Umbra bricht zusammen.
Ich wanke, sacke neben dem Tisch auf den Boden und taste nach dem Kadaver. Es ist das zweite Mal, dass ich Vampirblut trinken muss, um neue Stärke zu sammeln. Ein zweischneidiges Schwert, denn wenn ich so weitermache, werde ich an einer Vergiftung sterben. Es ist keine gute Nahrung, aber es geht nicht anders, sonst werde ich im Laboratorium verenden, was mehr als eine Ironie des Schicksals wäre.
Das Blut des Umbra schmeckt noch grauenvoller als das der Viesczy. Es besitzt mehr Energie, weil diese Vampire nur wenige Wochen leben und dafür wesentlich mehr Macht von ihrem dämonischen Schöpfer erhalten haben, doch es brennt im Mund, auf der Zunge, in der Speiseröhre, in meinem Magen, der sich auf der Stelle zusammenzieht und das Blut auskotzen will.
Gleichzeitig fühle ich etwas, was sich am ehesten mit Trunkenheit vergleichen lässt, ein Zustand der Leichtigkeit, den ich durchaus genossen hätte, wenn der Rest meines Leibes nicht den Eindruck vermitteln würde, von innen heraus zu verbrennen.
Die leisen Geräusche, die von oben an mein Ohr dringen, sagen mir, dass die Vampire gerade das Loch im Boden gefunden haben und vorrücken. Ich schätze, dass es nicht mehr als fünf Gegner sein werden, und ziehe mich in eine Ecke des Labors zurück.
»Ist sie da?«, ruft eine männliche Stimme.
»Kann sie nicht sehen … hier ist Blut!«, gibt eine Frau etwas gedämpfter zurück. Die Schritte nähern sich meinem Versteck. »Sie hat den Umbra fertiggemacht!«
Es klirrt, dann wird es im hinteren Teil des Laboratoriums heller. Eine der alten Laternen wurde entfacht. »Was ist das hier?«, meint eine dritte Stimme, die sehr nach einem Kind klingt.
Ich sehe die Vampirin nur einen halben Schritt und mit dem Rücken zu mir neben dem Leichnam des Umbra knien. Sofort greife ich sie von hinten, und die Schneide meines Dolches bekommt ein neues Herz zum Kosten – allerdings steche ich nur zu und schneide nicht. Langsam stehe ich auf und zeige mich, meine Geisel halte ich wie einen Schild vor meinen Körper.
»Ihr seid in meinem Laboratorium«, erkläre ich mit fester Stimme. Es sind sechs Vampire, und dieses Mal ist wenigstens kein Umbra unter ihnen; sie haben zwei der alten Kerzen angezündet, um mehr Licht zu haben. Mein Magen steht schier in Flammen, ich bin noch lange nicht in der Verfassung, mich mit allen gleichzeitig anzulegen. »Ich gebe euch ein letztes Mal die Gelegenheit, aus meiner Mühle zu verschwinden«, taktiere ich. »Sonst wird eure Freundin hier nur die erste Tote sein.«
Sie sehen sich an.
»Wie kommst du darauf, dass wir Rücksicht auf sie nehmen?«, meint der Vampir, der eine Kerze hält, zeigt auf meine Geisel und grinst dabei.
»So weit geht der Pakt nun auch wieder nicht.« Eine zweiteVampirin hebt ein verrostetes Skalpell auf. »Wir erlauben den Kindern des Judas nicht mehr, in diesem Land Fuß zu fassen. Es dauerte zu lange, um euch loszuwerden.«
»Die Cognatio hat sich selbst zerfleischt.« Ich lache. »Wegen mir. Ihr verdankt es demnach mir, dass ihr überhaupt an die Macht kommen konntet! Ansonsten hätte euer Pakt nichts bewirkt. Zeigt Dankbarkeit und verschwindet.« Die Wunde am Hals hat sich geschlossen, ich fühle, wie die Schwäche weicht. Die Hybris schwingt sich erneut empor, und ich lasse sie gewähren. Wie verlockend gut sie sich anfühlt: besser als jedes lebendige Wesen zu sein, Gebieterin über die übermächtigen Elemente und ewig lebend!
»Sicher. Und wenn du es möchtest, stellen wir uns im Sonnenschein in einer Reihe auf und warten auf die tödlichen Strahlen.« Die Vampirin mit dem Skalpell kommt näher. »Weder du noch dein Freund werden diese Nacht überstehen.«
»Er ist nicht mein Freund.« Ich zerschneide das Herz meiner Geisel und stoße sie tot gegen den Seziertisch. »Er ist mein ärgster Feind.« Das Loch im Dach ermöglicht es mir, Kontakt zu
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