Kinder des Mars
es auf dem Postweg versuchen oder sie besuchen. Da niemand wusste, wie viel Zeit sich diese Spezialistin für ihre schriftliche Korrespondenz nahm, schlug Callaghan einen persönlichen Besuch vor.
Ella war dafür gewesen, zu fliegen, weil es schnell und billig war. Melissa wollte unbedingt einen Roadtrip machen, wie es die zwei Typen in ihrer Lieblingsserie im Fernsehen ständig taten. Benzinkosten scherten sie nicht, und es waren »ja nur sechsundzwanzig Stunden bis zum Okanagan Lake. «
» Nur! « schnaufte Ella. »Und das ohne Pause. Wir müssen auch mal anhalten und uns ausruhen.« Ella wäre lieber in L.A. geblieben, in den Hollywood Hills gewandert und barfuß am Santa Monica Beach spazieren gegangen, statt ewig im Auto zu sitzen. Aber Melissa bestand auf ihrem Roadtrip.
»Wir können uns beim Fahren abwechseln, genau wie...«
»Oh hör auf!« lachte Ella. »Schon gut, nehmen wir halt dein Auto.«
Melissas Auto war nicht mehr das jüngste und ließ an Komfort zu wünschen übrig, aber Melissa hätte um nichts in der Welt ein anderes haben wollen, denn sie fand es ,extrem cool, total geil, ein echter Klassiker eben'. Ella hoffte nur, dass es die weite Reise durchstand – und dass Melissa nicht allzu neugierig war. Ella hatte sich mit Jason getroffen und einen überraschend schönen Abend gehabt, konnte aber nicht sagen, ob daraus mehr werden würde oder nicht. Sie wollte sich zu nichts drängen lassen und schon gar nicht alles zerreden.
Es war Samstagmorgen, der Chevrolet beladen und Melissa tankte ihn gerade voll, während Ella in der Tankstelle Proviant einkaufte. Die Sonne schien, keine Wolke bedeckte den kalifornischen Himmel. Wenn alles gut ging, waren sie Sonntagmittag oder Nachmittag im Okanagan Valley, dem wohl fruchtbarsten Flecken Erde in Kanada. Dort wuchsen aufgrund des milden Klimas zusätzlich zur Landwirtschaft die Obstbäume sogar wild und selbst Wein gedieh. Nun war es allerdings fast Mitte Dezember, um diese Jahreszeit war die Ernte längst vorbei und Ella erwartete, dass es deutlich kühler sein würde als in Los Angeles. Melissa hatte natürlich nichts warmes eingepackt, sie trug Sneakers, Minirock und Strumpfhose, ein T-Shirt ihrer Lieblingsband und ihre kurze schwarze Lederjacke und meinte, das würde genügen.
»Du bist mir die letzten Tage ausgewichen«, begann Melissa, »aber jetzt sitzen wir stundenlang zusammen im Auto. Du kannst mir also genauso gut gleich verraten, wie toll Jason ist.«
»Er ist nett«, sagte Ella nur.
Melissa seufzte und stieg ins Auto. »Nett klingt furchtbar. War's so schlimm?«
»Überhaupt nicht«, widersprach Ella. »Luke ist auch nett. Was ist daran denn verkehrt?«
Melissa zuckte nur mit den Schultern und ließ das Thema fallen, wofür Ella dankbar war.
Um zehn Uhr rollten sie aus der Tankstelle hinaus und wühlten sich durch L.A.s Verkehr, bis sie auf die Interstate kamen, von wo an sie einfach nur nach Norden fahren und sich nicht sonderlich konzentrieren mussten. Melissa fuhr und hörte Musikkassetten, irgendwelche Rockmusik, die Ella nicht kannte, die sie aber auch nicht störte. Das alte Auto verfügte selbstverständlich nicht über einen CD-Spieler, genausowenig wie über eine Klimaanlage. Ella war dankbar, dass es Winter und nicht Hochsommer war. Die Landschaft zog mal grün, mal felsig an ihnen vorbei. Der Ozean war zu weit weg, um ihn zu sehen.
Gegen Mittag rief Jack an.
»Wo seid ihr?« fragte er verwundert.
»Auf dem Weg nach British Columbia, Kanada, zu einer kulturanthropologischen Koryphäe.«
»Roadtrip!« krähte Melissa glücklich herüber.
Ella stellte die Musik leiser.
» Na, ihr scheint ja mächtig Spaß zu haben « sagte Jack belustigt.
»Und was treibst du so?«
»Ich habe nun doch mit Vivian Vinter gesprochen, du erinnerst dich, sie hat diese Sicherheitsfirma, Velasquez Security, und danach mit Luke. Er hält nicht viel von Vampiren.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte Ella. Luke war schließlich Arzt.
»Hast du dich mal umgehört?«
»Ich habe einiges über die Bedeutung von Blut für das Leben der Menschen gelesen, ja, aber keinen Beweis für Unsterblichkeit gefunden. «
»Verrätst du mir trotzdem, was du weißt?«
Ella seufzte. Ihr war nicht klar, was Jack das helfen sollte, aber sie erzählte es ihm. » In den Religionen der Naturvölker von Papua Neuginea spielt Blut eine wichtige Rolle. Nicht nur das Blut, das in den Adern fließt, auch das Menstruationsblut und der männliche Samen haben rituelle
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