Kinder des Mars
schimpfte Ella. »Und jetzt erzähl mir endlich, was los ist, du Meister der Geheimniskrämerei. «
»Das glaubst du mir nicht «, sagte Jack enttäuscht. »Mal was anderes: Hast du von Paul gehört?«
»Nein. Wieso?«
»Weder Luke noch ich haben seit der Beerdigung mit ihm gesprochen. Na – dann bis bald«, sagte Jack und legte einfach auf.
Ella war stinksauer. Jack hatte ihr keine Antwort gegeben, abgelenkt und aufgelegt. Sie weigerte sich, mit Melissa darüber zu reden und sagte ihr zur Erklärung nur, dass Jack den Verstand verloren habe, was sie auch tatsächlich dachte. Sie verstand ihren Bruder nicht mehr, sie fühlte sich ausgeschlossen und es tat weh, dass er ihr nicht alles erzählte, sondern sie nur mit durchgedrehten Fragen über Vampire nervte.
Ella hatte vorgeschlagen, sich alle vier Stunden mit dem Fahren abzuwechseln, doch da Melissa mit Leidenschaft fuhr, gab sie das Steuer erst nach Mitternacht ab. Ella hatte da bereits einige Stunden geschlafen, als Melissa sie wachrüttelte.
»Mir fallen die Augen zu. Kannst du fahren?«
»Klar.« Sie tauschten die Plätze und Ella legte etwas unsanft den ersten Gang ein, was Melissa zum Stöhnen brachte.
»Vorsicht mit meinem Baby!«
»Automatik ist viel bequemer, da kann gar nichts ruckeln«, beschwerte sich Ella. Nachdem sie in den fünften Gang gewechselt hatte, nicht mehr schalten musste, und die endlose Straße leer vor ihr lag, lief der Chevrolet dann aber genauso glatt wie ein neueres Auto. Melissa rollte sich beruhigt auf dem Beifahrersitz zusammen und schlief augenblicklich ein. Die Dunkelheit störte Ella nicht, das Licht der Scheinwerfer genügte ihr. Sie hatte nur Angst, dass ihr plötzlich ein Tier vor den Wagen laufen könnte.
Stunden später graute der Morgen, nichts war geschehen, mal abgesehen davon, dass sie die Grenze zu Kanada passiert hatten. Da hatte Ella halten und wieder anfahren müssen, was Melissa ein unwilliges Murren entrang. Um zehn tauschten sie erneut und Ella genoss die überraschend grüne Landschaft. Sie hatte Schnee erwartet.
»Wir sind hier ganz im Süden Kanadas, Schnee gibt es weiter oben«, sagte Melissa. Sie hatte letztes Jahr in Vancouver Urlaub gemacht.
»Ist es noch weit?«
»Ein paar Stunden.«
Nach mehreren falschen Seitenstraßen und Feldwegen, die den Chevy unsanft durchrüttelten, erreichten sie nachmittags um vier das Haus von Samantha Gordon. Melissa parkte in der weiten Einfahrt.
»Pünktlich zum Kaffee! «
Ella bezweifelte, dass sie etwas angeboten bekamen. Das massive Steinhaus wirkte nicht sonderlich einladend. »Unser Besuch ist nicht angekündigt, vielleicht macht sie uns nicht einmal auf. «
Melissa verzichtete darauf, das Auto abzuschließen. In dieser verlassenen Gegend gab es niemanden, der es klauen konnte. Sie stiegen die fünf Stufen zur Haustür hinauf.
»So einen will ich auch!« Melissa deutete auf den Türklopfer, einen faustgroßen Löwenkopf aus Messing. Eine Klingel gab es nicht. Melissa nahm den Löwen und schlug ihn gegen die Tür. Er fiel dumpf gegen das schwere Holz.
Die Sonne hatte sich bereits zurückgezogen und würde bald untergehen, was für diese Jahreszeit üblich war. Das Haus lag abgelegen, doch das war in Kanada normal. Ein massives Steinhaus mit einem schweren Löwenknopf als Türklopfer dagegen stach sehr wohl als ungewöhnlich hervor. Nun, besondere Leute hatten besondere Eigenheiten, dachte Ella.
»Soll ich noch einmal klopfen?« fragte Melissa.
»Sch!«
Sich nähernde Schritte waren zu hören, dann öffnete eine junge Frau die Tür. Ihr karamellfarbenes Haar war kurzgeschnitten, ihre Haut blass und ihre Figur unter einem braunen Kaftan verborgen. Melissa gönnte sie einen flüchtigen Seitenblick, dann fanden ihre schwarzen Augen Ellas grüne.
»Hallo Hexe. « Sie musste ein wenig zu Ella emporblicken, die Fremde war höchstens so groß wie Melissa.
»Wie bitte? «
Sie legte den Kopf schief. »Ich weiß, was du bist. « Sie lächelte. »Kein Grund es zu leugnen. Meine Name ist Samantha Gordon. Ihr könnt mich Sam nennen. « Sie streckte ihr die Hand zum Gruß entgegen.
Ella schüttelte sie. »Tut mir leid, Sie müssen mich verwechseln. Mein Name ist Ella Hayes und gemeinsam mit meiner Kommilitonin hier, Melissa Batman, stelle ich Recherchen für eine Hausarbeit an. Unser Dozent hat uns empfohlen, sie aufzusuchen. «
Sam nahm Melissas Hand. »Ich weiß, wer ihr seid. « Zu Ella sagte sie: »Du bist eine Hexe, wie deine Tante. « Sie trat zurück und
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