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Kinder des Monsuns

Kinder des Monsuns

Titel: Kinder des Monsuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Jimenez
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Herrschaft eines neuen Glaubens verkündet hatten, einen mobilen Obststand zurückgelassen, mit dem sie nur Verluste schrieben. Edelberto beschloss, mit seiner Familie |81| nach Manila zu reisen, um der Armut zu entkommen, mit einem Traum im Koffer, den er immer für absolut erreichbar hielt, weil er seiner Meinung nach nicht zu viel verlangt war: ein Stück Land, ein Häuschen darauf und eine Arbeit, um die Familie zu ernähren.
    Nun, da ihm die Realität ein Stück Müllhalde, eine Baracke und eine Arbeit als Müllsammler gegeben hat, fragt er sich, ob er nicht besser daran getan hätte, dort zu bleiben, wo er hergekommen ist. Wie lange bleibt ein Traum lebendig, der sich nicht erfüllt? Ein Jahr? Zwei? Das ganze Leben vielleicht? Edelberto hielt seinen Traum einige Zeit lebendig, doch sehr bald hörten das Stück Land, das Häuschen darauf und die Arbeit auf, in seiner Fantasie eine Rolle zu spielen. Er begrub die Illusion seines Lebens und konzentrierte sich darauf, den Alltag im Gelobten Land so erträglich wie möglich zu machen.
    Die Deponie war bereits damals der einzige Ausweg für alle, die nicht wussten, wohin, Menschen, die ihre Häuser bei Taifunen verloren hatten, die von der Stadtentwicklung verdrängt worden oder vor dem Feudalsystem auf dem Land geflüchtet waren, das noch aus der Zeit des Kolonialismus stammte, aus Bauern Leibeigene machte und ihren Kindern keine Ausflucht ließ. Es ist dasselbe Lied wie in São Paolo, Johannesburg oder Jakarta. All diese Städte wurden nach und nach von den Armen und Verzweifelten kolonisiert, die zuerst in den Außenbezirken siedelten, wo sie niemand störten, um dann nach und nach in die überquellenden Zentren vorzudringen, bis sie kleine Städte innerhalb der Städte bildeten.
    Die Landwirtschaft auf den Philippinen wurde vom Staat jahrzehntelang vernachlässigt, das Leben auf dem Land verfiel immer mehr, und wer will schon an Orten leben, die sich selbst überlassen sind? Alle streben im Gegenteil dorthin, wo die großen Hoffnungen blühen. So machen sich die Leute auf die Suche nach den Neonlichtern und großen Boulevards, nicht so sehr, um selbst das Glück zu finden, sondern um der nächsten Generation – den Kindern |82| , vielleicht auch erst den Enkeln – eine kleine Chance zu eröffnen. Man muss die Stadt um jeden Preis erreichen. Tausende von Edelbertos strömen in den Zügen, die durch die Elendsviertel führen, Viertel wie San Antonio, nach Manila, und sehen ihren Traum noch vor Erreichen des Ziels zerplatzen. Die Stadt, dieser Mythos, für den man alles aufgegeben hat, will einen nicht, und jetzt ist es zu spät: Die Neuankömmlinge haben nur einen einfachen Fahrschein gekauft, haben alles auf eine einzige Karte gesetzt: Manila, die brutale Stadt.
    Noch graut der Morgen nicht, doch im Gelobten Land ist der Tag schon angebrochen. Reneboy hat Fe versprochen, dass er hart arbeiten wird. In denselben Sachen, in denen er zu Bett gegangen ist, läuft er über die Hauptstraße der Müllstadt. Auch andere Kinder verlassen ihre Hütten und reihen sich in den täglichen Marsch zum Fuß des Müllmatterhorns ein. »Reneboy, komm weiter nach oben«, schilt ihn Evelyn, eine Kleine von seiner Größe mit hochgesteckten Haaren und sauberer Kleidung, als ginge sie auf ein Schulfest. Alle streben nach oben zum Gipfel des Berges. Einmal dort angekommen, überblickt Reneboy den Horizont und zeigt auf den abgerutschten Hang. »Mein Vater sagt, dass da drunter Tausende von Toten liegen.«
    »Werden die Würmer sie fressen?«, fragt Ronald, ein etwas größerer Junge.
    »Nein, sie holen sie mit dem Bagger raus«, erwidert Reneboy und weist auf die Rettungsteams, die den Ort sehr bald wieder verlassen werden, ohne den Toten eine würdige Beerdigung zu geben.
    Ein kurzes Schweigen geht dem Tagesanbruch voraus. Alle machen sich daran, das Gelände zu durchkämmen, bewegen sich wie Ratten zwischen dem Müll, stochern mit ihren Haken hier oder dort, lassen das, was nichts taugt, durch die Luft segeln und sacken ein, was sich noch verkaufen lässt. Reneboy hebt kaum den Kopf, untersucht jede Handbreit genau, bis jemand die Ankunft des ersten Lastwagens dieses Morgens verkündet: »Lauft! Schnell!«, alarmiert einer die anderen. Viele der älteren Müllsammler schlafen |83| noch, deshalb gibt es weniger Konkurrenz. Die Kinder werden nicht weggeschubst und fangen an, ihre Funde zu tauschen: diese Flasche im Tausch gegen das Stück Kunststoff da, dieser Stoff gegen den Karton,

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