Kinder des Monsuns
Geld und Macht zu entscheiden. So beschlossen sie, beides zu stehlen.
Die verwöhnte Tochter aus der philippinischen Elite und der General folgten der Tradition vieler kleiner und großer Diktatoren, ihren Regimen mit blumigen Worten den Anstrich des Neuen, Besseren und Unbekannten zu geben. Mao Zedong rief dazu auf, China als »weißes Blatt Papier« zu betrachten und stürzte mit seiner aberwitzigen Politik sein Volk in eine Hungersnot; Suharto führte in Indonesien seine »Neue Ordnung« ein, in dessen Rahmen sein Regime in den sechziger Jahren eine antikommunistische Hexenjagd anzettelte, der Hunderttausende von Regimegegnern zum Opfer fielen; und Pol Pot stellte den kambodschanischen Kalender auf das Jahr null, bevor er einen der großen Völkermorde des 20. Jahrhunderts beging. Das Ehepaar Marcos nannte ihre politische Missgeburt »Neue Gesellschaft«.
|88| Natürlich gab es an keiner dieser Diktaturen allzu viel Neues: die Beseitigung Andersdenkender, die Veruntreuung von Finanzmitteln, die einem vom Volk zum Bau von Schulen anvertraut waren, die Ruinierung des eigenen Landes durch törichten Größenwahn, all dies waren alte Formen des Machtmissbrauchs. Das Ehepaar Marcos beschränkte sich darauf, das Robin-Hood-Prinzip auf den Kopf zu stellen und die Methoden zu perfektionieren, den Armen so viel wie möglich aus der Tasche zu ziehen, um es den Reichen zu geben. Sich selbst sicherte es dabei immer das größte Stück vom Kuchen. Das Land, das in den sechziger Jahren nach Japan zur zweitstärksten Wirtschaft Asiens aufgestiegen war, stürzte in eine Spirale der Korruption, für die Generationen von Filipinos bis heute die Zeche zahlen.
Imelda war für mich immer die Interessantere von beiden. Jahre nach ihrem Sturz bestellte sie mich zu einem Interview in ihr Apartment in Makati. Sie empfing mich mit einem »Buenos Días« – bis heute ist die Elite Manilas darum bemüht, sich mit Spanisch vom Plebs zu unterscheiden – und führte mich an der Hand zu einem der großen Fenster ihrer Wohnung. »Mein Lieber, alles, was du hier siehst, haben er und ich aufgebaut«, sagte sie und blickte mit den Augen eines verliebten Backfisches zu Ferdinand hinüber, der seit seinem Tod in Form einer mit Weltkriegsorden behängten Büste reglos im Salon thronte.
Dieser Frau hatten einst die Führer der Welt zu Füßen gelegen. Castro sagte, sie sei abgesehen von seiner Mutter die Einzige, die er durch Havanna spazieren fuhr. Sie tanzte mit Ronald Reagan und sang vor den Sowjetführern. Die attraktivste First Lady des 20. Jahrhunderts war zugleich eine große Liebhaberin frivoler Sprüche, wie »Wenn du weißt, wie viel du besitzt, hast du wahrscheinlich nicht viel«, oder: »Uns gehört auf den Philippinen praktisch alles«. Nun hatte sie sich in ein melancholisches und gelangweiltes Großmütterchen verwandelt. Wir schauten uns gemeinsam die Videos von ihren offiziellen Reisen an, wischten den Staub von alten Fotografien ihrer Brautzeit und lasen |89| in alten Liebesbriefen. Sie bemerkte, dass ich nicht aufhörte, auf ihre Füße zu starren.
»Diese Wilden, die unser Haus überfallen haben [Demonstranten zwangen das Ehepaar Marcos während der Revolution von 1986 ins Exil und nahmen den Präsidentenpalast ein] suchten in meinem Schrank Skelette und fanden nur Schuhe, wunderschöne Schuhe. In gewisser Weise hatte ich Glück, findest du nicht?«
»Ja, aber die Menschen hungerten, und Madame besaß 1 220 Paar Luxusschuhe in Ihrem Schrank. Waren das nicht viele?«
»Wenn ich einen König besucht habe, brauchte ich eine Stunde, um mich zurechtzumachen. Wenn ich in ein Armenviertel gegangen bin, zwei Stunden. Ich habe mich in den Star der Armen verwandelt und ihnen meine ganze Liebe gegeben. Ich war ihnen eine Mutter. Noch Tee?«
Die philippinische Elite, zu der Imelda gehört, war immer das wahre Krebsgeschwür des Landes. Einige der reichsten Familien verdanken ihre Position ihrer Abstammung von den spanischen Kolonialherren, andere ihren Kontakten zur politischen Macht, die wenigsten ihrer eigenen Arbeit. Alle bewahren ihre Position auf Kosten der kleinen Leute und sträuben sich gegen jedwede Reform zur Umverteilung des Reichtums. Sie halten die Hebel der Macht fest in Händen, um zu verewigen, was zu einer Monarchie des Geldes geworden ist. Die Mitglieder des »Hofes von Makati« sind zu dem Schluss gelangt, dass Geld eine göttliche Gnade ist und von Generation zu Generation weitervererbt werden muss. Sie allein, so
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