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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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sechzehn Stunden sagst«, meinte Kelsier und wurde noch ein wenig schneller, als sie von der Landstraße abbogen und nun den breiten Treidelpfad neben dem Luth-Davn-Kanal benutzten.
    Sechzehn Stunden!
    Vin fiel ein wenig hinter Kelsier zurück, was ihr mehr Platz zum Laufen verschaffte. Kelsier erhöhte die Geschwindigkeit, bis sie in wahnsinniger Schnelligkeit dahinrannten. Er hatte Recht: Unter anderen Unständen wäre sie auf dem unebenen Weg rasch außer Tritt geraten. Doch unter der Führung von Weißblech und Zinn gelang es ihr, auf den Beinen zu bleiben, auch wenn es immer mehr Aufmerksamkeit erforderte, denn nun wurde es allmählich dunkel, und die Nebel kamen hervor.
    Gelegentlich warf Kelsier eine Münze und sprang von einem Hügelkamm zum nächsten. Doch meistens rannte er mit stetiger Geschwindigkeit dahin und blieb neben dem Kanal. Stunden vergingen, und bald spürte Vin die Erschöpfung, die Kelsier vorausgesagt hatte. Sie wurde nicht langsamer, doch sie fühlte nun einen inneren Widerstand sowie ein Verlangen, anzuhalten und sich auszuruhen. Trotz der Kraft des Weißblechs ging ihrem Körper die Kraft aus.
    Sie sorgte dafür, dass ihr Weißblech immer stark angefacht blieb. Wenn es ausging, würde die Müdigkeit sie so schnell überfallen, dass sie kaum mehr würde Weiterreisen können. Kelsier befahl ihr immer wieder, ungeheuer viel zu trinken, auch wenn sie gar nicht durstig war.
    Der Abend wurde dunkler und stiller; keine Reisenden wagten es, den Nebeln zu trotzen. Sie kamen an Kanalbooten und Barken vorbei, die für die Nacht vor Anker lagen, und gelegentlich auch an Lagern der Kanalleute, deren Zelte sich zum Schutz vor dem Nebel eng aneinanderdrängten.
    Zweimal sahen sie Nebelgeister auf dem Weg, und der erste erschreckte Vin entsetzlich. Kelsier lief einfach an ihm vorbei; er beachtete kaum die furchtbaren, durchscheinenden Überreste der Menschen und Tiere, die dieser Geist in sich aufgenommen hatte und deren Knochen nun sein eigenes Skelett bildeten.
    Noch immer lief sie. Die Zeit verschwamm, und das Laufen wurde zum bestimmenden Element all dessen, was Vin war und tat. Die Bewegung verlangte so viel Aufmerksamkeit, dass sie Kelsier vor sich im Nebel kaum sehen konnte. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, ihr Körper blieb stark, doch zugleich fühlte sie sich entsetzlich erschöpft. Jeder Schritt, so kurz er auch sein mochte, wurde zu einer Plackerei. Sie sehnte sich nach einer Rast.
    Kelsier tat ihr diesen Gefallen nicht. Er rannte weiter, trieb sie dadurch voran und behielt seine unglaubliche Geschwindigkeit bei. Vins Welt wurde zu einer zeitlosen Region stärker werdender Schmerzen und wachsender Ermüdung. Manchmal wurden sie etwas langsamer, wenn sie Wasser tranken oder weitere Weißblechkügelchen schluckten, aber sie hielten niemals an. Es war Vin, als könnte sie gar nicht mehr stehen bleiben. Sie ließ es zu, dass die Erschöpfung ihren Geist überwältigte. Das brennende Weißblech war alles, sie war nichts.
    Licht überraschte sie. Die Sonne ging auf, die Nebel zerstreuten sich. Doch Kelsier ließ nicht zu, dass die Helligkeit sie langsamer machte. Wie konnte er auch? Sie mussten rennen. Sie mussten ... immer ... weiter ... rennen ...
    *
    Ich sterbe.
    Es war nicht das erste Mal, dass Vin während des Laufens dieser Gedanke kam. Tatsächlich kreiste er immer wieder in ihrem Kopf herum und pickte an ihrem Hirn wie ein Aasvogel. Aber sie blieb in Bewegung. Rannte weiter.
    Ich hasse das Rennen,
dachte sie.
Das ist der Grund, warum ich immer in einer Stadt und nicht auf dem Lande gelebt habe. Dort brauchte ich nicht zu rennen.
    Etwas in ihr wusste, dass dieser Gedanke eigentlich keinen Sinn ergab. Doch geistige Klarheit war im Augenblick keine ihrer Stärken.
    Ich hasse auch Kelsier. Er läuft einfach weiter. Wie lange ist es her, seit die Sonne aufgegangen ist? Minuten? Stunden? Wochen? Jahre? Ich schwöre, ich glaube nicht, dass ...
    Kelsier wurde allmählich langsamer und hielt auf dem Weg vor ihr an.
    Vin war so verblüfft, dass sie beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre. Sie stolperte, bremste ungeschickt ab, als hätte sie außer dem Laufen alles vergessen. Dann blieb sie stehen und starrte verblüfft auf ihre Füße.
    Das ist falsch,
dachte sie.
Ich kann doch nicht einfach hier stehen. Ich muss mich bewegen.
    Sie spürte, wie sie sich wieder in Bewegung setzte, aber Kelsier packte sie. Sie kämpfte gegen seinen Griff an und widersetzte sich ihm schwach.
    Ruh dich aus,
sagte

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