Kinder Des Nebels
auf, machte einen Schritt vom Tresen weg und ging dann auf Hamms und Wehers Tisch zu. »Wir haben die Gelegenheit, etwas wirklich Großes zu tun, meine Herren - etwas, das kein anderer Dieb je gewagt hat. Wir bestehlen den Obersten Herrscher höchstpersönlich!
Aber da ist noch etwas. Die Gruben hätten mich beinahe getötet, und ich sehe die Dinge ... anders, seit ich aus ihnen geflohen bin. Ich sehe die Skaa, die ohne Hoffnung schuften. Ich sehe die Diebesbanden, die von den Hinterlassenschaften des Adels zu leben versuchen, und dabei geschieht es allzu oft, dass sie - und auch andere Skaa - sterben. Ich sehe, wie verzweifelt die Skaa-Rebellion versucht, sich dem Obersten Herrscher zu widersetzen, und nie auch nur den geringsten Fortschritt dabei macht.
Die Rebellion ist ein Fehlschlag, weil sie zu schwerfällig und ausgedehnt ist. Sobald eines ihrer vielen Elemente an Schwung gewinnt, wird es vom Stahlministerium zerschmettert. So lässt sich das Letzte Reich nicht besiegen, meine Herren. Doch eine kleine Mannschaft - hoch spezialisiert und überaus geschickt - hat durchaus Grund zur Hoffnung. Wir riskieren kaum, bei unserer Arbeit entdeckt zu werden. Wir wissen, wie wir den Fängen des Stahlministeriums entgehen können. Wir wissen, wie der Hochadel denkt und wie wir uns seiner Mitglieder bedienen können. Wir können es schaffen!«
Er blieb neben Wehers und Hamms Tisch stehen.
»Ich weiß nicht, Kell«, meinte Hamm. »Es ist nicht so, dass ich mit deinen Motiven nicht übereinstimmen würde. Es ist nur ... mir scheint die ganze Sache etwas zu tollkühn zu sein.«
Kelsier lächelte. »Das ist sie auch. Aber du bist trotzdem dabei, oder?«
Hamm dachte kurz nach, dann nickte er. »Du weißt, dass ich bei deiner Mannschaft mitmache, egal, worum es geht. Es klingt verrückt, wie die meisten deiner Pläne. Willst du tatsächlich den Obersten Herrscher stürzen?«
Kelsier nickte. Aus irgendeinem Grund war Vin beinahe geneigt, ihm zu glauben.
Hamm nickte fest. »Also gut. Ich bin dabei.«
»Weher?«, fragte Kelsier.
Der wohlgekleidete Mann schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Kell. Die ganze Sache ist ein wenig extrem, sogar für deine Verhältnisse.«
»Wir brauchen dich, Weher«, beharrte Kell. »Niemand sonst kann eine Menschenmenge so gut besänftigen wie du. Wenn wir eine Armee ausheben wollen, brauchen wir alle Allomanten - und deren Kräfte.«
»Das stimmt«, meinte Weher. »Dennoch ...«
Kelsier lächelte und stellte etwas auf den Tisch. Es war der Weinbecher, den Vin für Weher gefüllt hatte. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass Kelsier ihn vom Tresen genommen hatte.
»Betrachte es als Herausforderung, Weher«, schlug er vor.
Weher sah zuerst den Becher und Kelsier an. Schließlich lachte er und griff nach dem Wein. »In Ordnung. Ich bin dabei.«
»Das ist unmöglich«, sagte eine barsche Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes. Keuler saß mit verschränkten Armen da und sah Kelsier finster an. »Was hast du wirklich vor, Kelsier?«
»Ich bin vollkommen aufrichtig«, antwortete dieser. »Ich beabsichtige, das Atium des Obersten Herrschers zu stehlen und sein Reich zu zerschlagen.«
»Das kannst du nicht«, erwiderte der Mann. »Das ist Idiotie. Die Inquisitoren werden uns allen, die wir hier sitzen, Haken durch die Kehlen treiben und uns daran aufhängen.«
»Vielleicht«, sagte Kelsier. »Aber denk an den Gewinn, wenn wir es schaffen. Reichtum, Macht und ein Land, in dem die Skaa nicht wie Sklaven, sondern wie Menschen leben werden.«
Keuler schnaubte laut. Dann stand er auf; sein Stuhl fiel dabei hinter ihm zu Boden. »Kein Gewinn ist groß genug dafür. Der Oberste Herrscher hat schon einmal versucht, dich zu töten. Offenbar bist du erst dann zufrieden, wenn er zu seinem Recht gekommen ist.« Mit diesen Worten drehte sich der alte Mann um und humpelte aus dem Raum; die Tür schlug er mit einem lauten Knall hinter sich zu.
Es wurde still im Unterschlupf.
»Anscheinend brauchen wir einen anderen Raucher«, bemerkte Docksohn.
»Du lässt ihn einfach gehen?«, empörte sich Yeden. »Er weiß doch jetzt alles!«
Weher kicherte. »Solltest du nicht der Moralische in dieser Gruppe sein, Yeden?«
»Das hat nichts mit Moral zu tun«, entgegnete Yeden. »Es ist dumm, jemanden wie ihn einfach gehen zu lassen! Er könnte uns innerhalb weniger Minuten die Obligatoren auf den Hals hetzen.«
Vin nickte, doch Kelsier schüttelte den Kopf. »So arbeite ich nicht, Yeden. Ich habe Keuler zu
Weitere Kostenlose Bücher