Kinder Des Nebels
der Einzige, der dies vermag. Der Dunkelgrund verheert schon jetzt die Welt. Wenn ich ihm nicht bald Einhalt gebiete, wird von diesem Land nichts als Knochen und Staub übrig bleiben.
Kapitel 5
A ha!« Kelsier tauchte triumphierend hinter Camons Tresen auf. Er hob den Arm und stellte eine staubige Weinflasche auf die Theke.
Belustigt sah Docksohn ihn an. »Wo hast du denn das gefunden?«
»In einer der geheimen Schubladen«, sagte Kelsier, während er die Flasche abstaubte.
»Ich dachte, ich hätte alle untersucht«, meinte Docksohn.
»Das hast du auch. Eine hatte allerdings eine falsche Rückwand.«
Docksohn kicherte. »Schlau.«
Kelsier nickte, entkorkte die Flasche und füllte drei Becher. »Der Trick besteht darin, nie mit der Suche aufzuhören. Es gibt
immer
ein Geheimversteck.« Er nahm die drei Becher und ging mit ihnen hinüber zu Vin und Docksohn.
Mit zögerlichem Griff nahm Vin ihren Becher entgegen. Das Treffen war kurz vorher zu Ende gegangen; Weher, Hamm und Yeden wollten nun über das nachdenken, was Kelsier gesagt hatte. Vin hatte eigentlich ebenfalls aufbrechen wollen, aber es gab keinen Ort, an den sie hätte gehen können. Überdies schienen Docksohn und Kelsier zu erwarten, dass sie bei ihnen blieb.
Kelsier nahm einen tiefen Schluck von dem hellroten Wein und lächelte. »Ah, das ist schon
viel
besser.«
Docksohn nickte, doch Vin hatte noch nicht gekostet.
»Wir brauchen einen anderen Raucher«, bemerkte Docksohn.
Kelsier stimmte ihm zu und meinte: »Die Übrigen scheinen es einfach hingenommen zu haben.«
»Weher ist noch unsicher«, sagte Docksohn.
»Er wird keinen Rückzieher machen. Weher liebt Herausforderungen, und eine größere wird er nicht finden.« Kelsier grinste. »Außerdem würde es ihn verrückt machen, wenn wir eine Sache ohne ihn durchziehen.«
»Aber er hat Recht, wenn er besorgt ist«, meinte Docksohn. »Ich habe selbst so meine Bedenken.«
Kelsier nickte, und Vin zog die Stirn kraus.
Sie meinen es also ernst mit ihrem Plan? Oder spielen sie mir nur etwas vor?
Die beiden Männer schienen ihr so fähig zu sein. Doch - das Letzte Reich stürzen? Eher konnte man die treibenden Nebel oder den Lauf der Sonne anhalten.
»Wann kommen denn unsere Freunde her?«, fragte Docksohn.
»In ein paar Tagen«, antwortete Kelsier. »Bis dahin müssen wir einen anderen Raucher gefunden haben. Und dann brauche ich noch etwas Atium.«
Docksohn runzelte die Stirn. »Jetzt schon?«
»Ich habe das meiste für OreSeurs Vertrag gebraucht und den letzten Rest auf Trestings Plantage eingesetzt.«
Tresting.
Das war der Name des Adligen, der vor einer Woche in seinem Landhaus ermordet worden war.
Was hatte Kel
sier damit zu tun? Und was hatte Kelsier vorhin über das Atium gesagt?
Er hatte behauptet, der Oberste Herrscher übe die Kontrolle über den Hochadel aus, weil er das Monopol auf dieses Metall habe.
Docksohn rieb sich über das bärtige Kinn. »An Atium ist nicht leicht heranzukommen, Kell. Es hat einer fast achtmonatigen Planung bedurft, das letzte Stück zu stehlen.«
»Nur, weil du dabei so zimperlich warst«, gab Kelsier mit einem verschlagenen Lächeln zurück.
Docksohn schenkte Kelsier einen besorgten Blick. Kelsier lächelte noch breiter, und schließlich rollte Docksohn mit den Augen und seufzte. Dann sah er Vin an. »Du hast deinen Wein noch nicht angerührt.«
Vin schüttelte den Kopf.
Docksohn wartete auf eine Erklärung, und schließlich sagte Vin: »Ich mag nichts, was ich mir nicht selbst zubereitet habe.«
Kelsier kicherte. »Sie erinnert mich an Lufter.«
»An Lufter?«, schnaubte Docksohn. »Das Mädchen hier leidet zwar ein wenig an Verfolgungswahn, aber
so
schlimm ist sie noch lange nicht. Dieser Mann war derart nervös, dass sein eigener Herzschlag ihn erschreckt hat.«
Die beiden Männer lachten gemeinsam. Doch ihre freundliche Art machte Vin nur noch misstrauischer.
Was erwarten sie von mir? Soll ich ihr Lehrling sein?
»Verrätst du mir, wie du an weiteres Atium kommen willst?«, fragte Docksohn.
Kelsier öffnete den Mund und wollte gerade antworten, als plötzlich auf der Treppe Schritte zu hören waren. Jemand kam herunter. Kelsier und Docksohn drehten sich gleichzeitig um; Vin hatte sich natürlich so gesetzt, dass sie beide Eingänge sehen konnte, ohne sich bewegen zu müssen.
Sie hatte erwartet, dass der Neuankömmling einer von Camons Bandenmitgliedern war, der nachsehen sollte, ob Kelsier den Unterschlupf noch brauchte. Daher war sie
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