Kinder des Sturms
Angst.«
Er winkte mit dem Apfel in Richtung des Grabsteins, als würde die alte Frau dort sitzen und ihm zuhören. Was sie vielleicht auch tat. »Und wenn man es genau besieht, ist sie auch nicht besser. So verschieden von meiner ruhigen, bescheidenen Gwen wie die Sonne vom Mond, aber in dieser einen Sache sind die beiden völlig gleich. Sie will, dass er ihr sein Herz schenkt, aber kann sie ihm das einfach sagen? Nein, das kann sie nicht. Weiber – wer kann die Weiber schon verstehen?«
Mit einem neuerlichen Seufzer biss er abermals in seinen Apfel und dachte weiter nach. Um ein Haar hätte er die Geduld mit den beiden verloren, wäre ihnen erschienen und hätte sie angeherrscht, ihr dummes Spielchen endlich zu beenden, es hinter sich zu bringen und einander ihre Liebe zu gestehen.
Doch das war nicht erlaubt. Sie selbst mussten den rechten Zeitpunkt für dieses Geständnis wählen, sie selbst mussten die Schritte ihres Tanzes festlegen. Sein ... Beitrag, dachte Carrick – das Wort Einmischung missfiel ihm – konnte nur gering sein.
Er hatte alles in seiner Macht Stehende getan. Jetzt musste er warten, wie er es bereits seit dreihundert Jahren tat. Sein Schicksal, sein Glück, ja vielleicht sogar sein Leben hingen von den Herzen dieser beiden sterblichen Menschen ab.
Auch mit den anderen Paaren war es schwer gewesen. Man hätte meinen können, er hätte inzwischen genug dazugelernt, um zu wissen, wie man diesen beiden letzten Menschen half. Aber alles, was er wusste, war, dass die Liebe ein Juwel war, mit zahllosen Facetten, ein Juwel, das Stärken und Schwächen Seite an Seite in sich barg, ein Juwel, das man nur mit weit offener Hand zu geben und zu nehmen in der Lage war.
Er legte sich rücklings ins Gras und zeichnete mit seinen Gedanken Gwens geliebte Züge an den Himmel. »Mein Herz, mein Körper und meine Gedanken sehnen sich schmerzlich nach dir. Ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich wieder berühren, deinen Duft einatmen, deine Stimme hören zu können. Ich schwöre dir, wenn du erst zu mir zurückkommst, lege ich dir meine Liebe zu Füßen. In all ihrer Bescheidenheit und gleichzeitigen Pracht. Und die Blumen, die daraus erwachsen, werden ganz sicher niemals welk.«
Er schloss seine Augen und versank, des Wartens müde, in einen tiefen Schlaf.
Vor lauter Anstrengung, gut gelaunt, sexy und witzig zu sein, war Darcy, als Trevor sie schließlich in den Pub fuhr, vollkommen erschöpft. Da sie jedoch entschlossen war, sämtliche Trümpfe auszuspielen, ging sie noch mit ihm hinüber auf die Baustelle und stieß freudige Laute über die stetig voranschreitenden Baumaßnahmen aus.
Trevors zusammengekniffene Augen verrieten ihr, dass sie in dem Bemühen, ihren Zorn zu überspielen, anscheinend übertrieb, und so zog sie sich nach einem warmen, aber kurzen Abschiedskuss fluchtartig zurück.
Sie hatte es bis an die Küchentür geschafft, als Brenna sie von hinten packte. »Was ist los?«
Sie kannten einander seit ihrer Geburt und verstanden die Launen der anderen oft besser als die eigenen Stimmungen.
»Komm kurz mit rauf, ja?« Ihre Freundschaft war so eng,
dass Darcy, ohne eine Antwort abwarten zu müssen, einfach eilig die Treppe hinauflaufen und ihre Fröhlichkeit und gute Laune ablegen konnte wie andere Leute ihre Kleider.
»Ich habe fürchterliches Kopfweh.« Das brutale Pochen trieb sie geradewegs ins Bad, wo sie eine Schachtel Aspirin aus dem kleinen Schränkchen zerrte, zwei Tabletten in ein Glas mit Wasser warf und dieses mit einem Zug ausleerte.
Brenna sah ihr Gesicht im Spiegel. Sie wusste, dass die Freundin hinter der hübschen Fassade irgendeinen tiefen Schmerz verbarg.
»Was hat er getan?«
Wie herrlich es doch war, eine Freundin zu haben, die, noch ehe sie die Anklageschrift auch nur hervorgezogen hatte, bereits wusste, wen die Schuld an ihrem Elend traf. »Er hat mir ein Vermögen angeboten. Gemessen an dem, was er gewöhnt ist, wahrscheinlich ein eher bescheidenes Vermögen, aber für meine Verhältnisse sehr viel. Genug, damit ich in Zukunft stilvoll leben kann.«
»Und?«
»Ich nehme es an.« Die trotzige Gereiztheit, mit der sie ihren Kopf zurückwarf, rief ernste Sorge in der Freundin wach. »Ich unterschreibe den Aufnahmevertrag.«
»Das ist fantastisch, Darcy, wirklich, falls es das ist, was du willst.«
»Ich wollte immer mehr, als ich je hatte, und jetzt werde ich es tatsächlich bekommen. Wenn es mir nicht passen würde, würde ich nicht
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