Kinder des Sturms
unbehaglich.« Gwen bedachte ihn mit einem sanften Lächeln. »Es ist also nichts, dessen du dich schämen müsstest. Aber du kannst sicher sein, dass auch er weiß, dass dir jetzt nicht ganz wohl ist, und genau deshalb reagiert er seinen Zorn auf diese Weise ab.«
Vorsichtig stellte Trevor die Kerze auf den Tisch. »Ganz schön gewaltig, was er da vom Stapel lässt.«
»Mein Carrick hat eben einen Hang zum Dramatischen. Aber er leidet, Trevor. Das ewige Warten ermüdet die Seele, und wenn man meint, dass es nach langer, langer Zeit vielleicht endlich bald ein Ende haben wird, ist es umso schwerer. Ich überlege, ob ich dir wohl eine persönliche Frage stellen darf.«
Er schüttelte den Kopf. Dieses Gespräch mit einem Geist in einem kleinen, nächtlich dunklen, sturmumtosten Cottage war einfach zu seltsam und gleichzeitig geradezu unheimlich normal. »Bitte.«
»Ich hoffe, ich trete dir nicht zu nahe, aber ich frage mich ganz einfach, was dich davon abhält, der Frau, die du liebst, zu offenbaren, was du für sie empfindest.«
»So einfach ist es nicht.«
»Ich weiß, dass du das denkst.« Obgleich ihre Hände ruhig in ihrem Schoß gefaltet blieben, klang ihre Stimme plötzlich drängend. »Was ich wissen möchte, ist, warum kann es nicht so einfach sein?«
»Wenn man nicht erst das Fundament legt, macht man einen Fehler. Je wichtiger einem eine Sache ist, umso wichtiger ist es, diesen Fehler nicht zu machen.«
»Fundament?«, fragte sie verwundert. »Und was, bitte, ist das genau?«
»Gegenüber Darcy bedeutet es, ihr zu zeigen, was sie mit mir haben, was für ein Leben sie mit mir führen kann.«
»Meinst du damit all die tollen Dinge? Die Reichtümer und Wunder dieser Erde?«
»Ja, genau. Sobald sie erst mal sieht –« Als der Boden unter seinen Füßen bebte, brach er alarmiert mitten in seiner Antwort ab. Ehe er sich jedoch auch nur bewegen konnte, hob Gwen begütigend die Hand.
»Ich bitte um Verzeihung. Ich kann ebenfalls manchmal ein
wenig ungehalten werden.« Sie hielt die Hand weiter reglos in die Luft, schloss einen Moment lang ihre Augen und blitzte Trevor, als sie sie wieder aufschlug, überraschend zornig an. »Und was hat mir Carrick anderes geboten? Juwelen und Reichtum, einen Palast zum Wohnen und Unsterblichkeit. Kannst du denn nicht sehen, dass das ein Fehler war, ein Fehler, der uns beide dreihundert Jahre unseres Glücks gekostet hat?«
»Darcy ist nicht so wie Sie.«
»Oh, Trevor, sieh doch endlich besser hin. Wie ist es nur möglich, dass ihr einander gegenüberstehen könnt und euch doch nicht seht?«
Sie ließ die Hand langsam wieder sinken. »Nun, deine Arbeit für heute Abend ist noch nicht getan. Also wirst du jetzt runter ins Dorf gehen. Du wirst dort nämlich gebraucht.«
»Von Darcy?« Panisch trat er einen Schritt nach vorn. »Ist mit ihr alles in Ordnung?«
»Oh ja, in allerbester Ordnung. Aber trotzdem wirst du im Dorf gebraucht. Dies ist die Nacht der Wunder, Trevor Magee. Also geh und habe daran teil.«
Er zögerte nicht länger. Lady Gwen war kaum verschwunden, als er sich die Kerze schnappte, damit er auf dem Weg aus dem Cottage in den Sturm hinaus wenigstens die eigenen Füße sah.
19
Die Luft wirkte lebendig, wütend, schlug und biss. Regentropfen, spitz wie Nadeln, stachen Trevor durch die Kleider und auf die nackten Arme. Widerliche Hagelkörner trommelten auf das Gras, krachten auf die Blumen und verwandelten den Boden in einen trügerischen Sumpf.
Und immer noch rissen zuckende Blitze Löcher in den rabenschwarzen Himmel und bahnten dem bellenden Donner einen Weg.
Bereits auf der kurzen Strecke bis zu seinem Wagen geriet Trevor völlig außer Atem und wurde nass bis auf die Haut.
Sein Verstand warnte ihn davor, dass es der reinste Wahnsinn wäre, in einer solchen Nacht noch aus dem Haus zu gehen. Es wäre viel vernünftiger, zu warten, bis der Sturm sich legte. Trotzdem drehte er, noch während er diesen Gedanken hegte, bereits den Zündschlüssel herum.
Der Wind heulte wie ein böser Waldgeist und riss derart unsanft an den Hecken, dass sowohl Blüten als auch Blätter wie wild gewordene Insekten an ihm vorbeischwirrten. Er hätte schwören können, dass der Sturm tatsächlich Fäuste und Finger besaß. Die Scheinwerfer des Wagens brachen zwei verschwommene Löcher in die Wand aus Regen, in denen man das ganze Ausmaß des wilden Treibens sah. Mühsam kämpfte er sich die Straße hinunter, und als er durch den dicken Schlamm um eine Kurve
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