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Kinder des Sturms

Kinder des Sturms

Titel: Kinder des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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schlitterte, explodierte abermals der Himmel, und ihn traf ein blendend greller Blitz mitten in die Augen, dicht gefolgt von neuerlichem Donner, der in seinen Ohren wie das Rattern eines langen Güterzuges klang.

    Untermalt wurde das höllische Szenarium vom leisen, verzweifelten Schluchzen einer Frau.
    Trevor drückte das Gaspedal noch tiefer herunter und rutschte um die nächste Kurve. In der Ferne wiesen ihm ein paar verstreute Lichter den Weg in Richtung Dorf.
    Kerzenschein, doch auch das helle Licht von Lampen. Sicher verfügten einige der Häuser über Notstromaggregate. Im Pub hatte er den Generator sogar schon gesehen. Mit Darcy wäre demnach wirklich alles in Ordnung, sie befände sich warm und sicher an einem trocknen, hellen Ort. Es gab keinen Grund, wie ein Wahnsinniger zu fahren, wenn sie nicht in Gefahr war.
    Doch das Gefühl der Dringlichkeit, das brutale Bedürfnis, sich möglichst zu beeilen, blieb weiterhin bestehen. Er umklammerte das Lenkrad, glitt mit durchdrehenden Reifen um die Kurve unterhalb des Tower Hill. Und plötzlich blieb der Wagen einfach stehen.
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?« Hektisch drehte er den Schlüssel, trat voller Ungeduld aufs Gas, doch alles, was er hörte, war ein leises, geradezu spöttisch anmutendes Klick.
    Fluchend öffnete er das Handschuhfach, schnappte sich die dort verstaute Taschenlampe und öffnete, als sie tatsächlich funktionierte, mit grimmiger Befriedigung die Tür.
    Als er auszusteigen versuchte, riss ihn der nächste wilde Windstoß beinahe von den Füßen. Ja, die Natur schien tatsächlich gegen ihn zu sein. Er stemmte sich gegen den Sturm, kämpfte sich hinauf bis an das Tor und schob es, während der Regen und der Hagel auf ihn niedertrommelten, unter großen Mühen langsam auf. Er würde einfach den Hügel überqueren, dadurch sparte er sicher jede Menge Zeit.
    Der schlammige Boden sog an seinen Füßen, sodass er, obgleich er am liebsten gesprintet wäre, nur langsam vorwärts kam. Die Grabsteine ragten wie spitze Zähne aus einem bis zu den Knien heraufreichenden Nebel, den es außer auf dem Friedhof augenblicklich nirgends gab.

    Carrick, dachte Trevor angewidert. Er zog wirklich sämtliche Register.
    Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel und tauchte das Grab des längst verstorbenen Johnnie Magee in ein ätherisch blaues Licht.
    Blumen? Keuchend blieb Trevor stehen und starrte auf den Blumenteppich, der in allen Regenbogenfarben blühte. Das Gras war von der Kraft des Unwetters vollkommen zerdrückt, doch die zarten Blütenblätter waren nicht nur unversehrt, sondern derart weich und harmonisch angeordnet, als hätte jemand sie mit Ölfarben gemalt. Der orkanartige Wind schien sanft mit ihnen zu spielen, und auch die kalte Hand des Nebels machte vor diesem Wunder Halt.
    Magie, dachte er und blickte in Richtung des Meeres, das in hohen, schaumgekrönten Wellen dröhnend gegen die Klippen schlug. Magie war nicht immer nett und hübsch. Nein, heute Nacht zeigte sie ihm ihr anderes, zorniges Gesicht.
    Er wandte sich ab, schlitterte den Hügel hinunter und schlug hart gegen den Stamm eines Baumes, der urplötzlich aus dem Nichts vor ihm aufzuragen schien. Seine Schulter pochte ebenso schmerzlich wie sein Herz, doch jedes Mal, wenn er das Gleichgewicht verlor und über die Steine in Richtung der Straße hätte purzeln müssen, fing er sich im letzten Augenblick.
    Später sollte er denken, dass bereits das ein Wunder gewesen war.
    Als er wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte, rannte er über den nassen Weg um eine letzte Kurve. Endlich sah er den Pub, endlich sah er das warme, einladende Licht, das durch die Fenster fiel.
    Mit brennenden Lungen blieb er stehen. Dann zog irgendetwas  – vielleicht ein leises Flüstern? Nein, ein leises Schluchzen  – seinen Blick nach oben. Im obersten Fenster des Gallagherschen Hauses sah er eine Frau. Ihre weizenblonden Haare
hoben sich leuchtend von der dunklen Umgebung ab, als sie ihn aus ihren grünen Augen traurig ansah.
    Das war nicht in Ordnung, dachte er, doch schon war sie verschwunden, schon war hinter dem Fenster außer einem schwachen Licht nichts weiter zu sehen.
    Das war nicht in Ordnung. Irgendetwas war hier ganz einfach nicht in Ordnung.
    Also kämpfte er sich, statt weiter Richtung Pub zu laufen, gegen den Wind zur Haustür und trat, gepeitscht von einer wilden Böe und von noch wilderem Regen, eilig in den Flur. Ehe er auch nur den Mund geöffnet hatte, um nach jemandem zu

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