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Kinder des Sturms

Kinder des Sturms

Titel: Kinder des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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nicht besser ist, dem Alkohol statt der Trauer zu verfallen. Ihre Töchter – ich glaube, es waren drei – haben so schnell wie möglich geheiratet
und das Elternhaus verlassen. Und ihr anderer Sohn, der über zehn Jahre jünger als der arme Johnnie war, nahm seine Frau und seinen kleinen Jungen und ging mit ihnen nach Amerika, wo er reich geworden ist. Es heißt, dass er nie wieder hierher zurückgekommen oder auch nur mit seinen hier verbliebenen Freunden und Verwandten in Kontakt getreten ist.«
    Sie drehte sich um und blickte nochmals auf den Pub. »Man braucht wohl ein ziemlich hartes Herz, um nie wieder zurückzublicken auf das, was man irgendwann verloren oder aufgegeben hat.«
    »Ja«, murmelte Trevor, »das braucht man ganz bestimmt.«
    »Trotzdem wurde die Saat für das Unternehmen, das der alte Magee in Amerika gegründet hat, hier in Ardmore gelegt. Und es scheint, als wäre der Magee, der das Unternehmen heute leitet, gewillt, sein Geld und seine Zeit zu investieren, damit die Saat auch hier aufgeht.«
    »Haben Sie damit ein Problem?«
    »Nein, nicht das Geringste. Wir und höchstwahrscheinlich auch dieser Magee werden schließlich davon profitieren. Ein Geschäft ist nun mal ein Geschäft, auch wenn natürlich etwas Raum für Sentimentalität ist, solange das oberste Ziel des Geschäftswesens davon nicht berührt wird.«
    »Und das wäre?«
    »Der Profit.«
    »Bloßer Profit?«
    Sie drehte sich wieder um und winkte hinunter in die Bucht. »Das ist Tim Riley, der mit seinem Boot vom Fischen kommt. Er ist seit Anbruch der Dämmerung mit seinen Männern draußen auf dem Meer gewesen. Das Leben eines Fischers ist auch heute noch sehr hart. Tim und die anderen fahren Tag für Tag hinaus und rackern sich bei jedem Wetter mit den Netzen ab. Weshalb glauben Sie, dass sie das tun?«
    »Warum sagen Sie es mir nicht einfach?«
    »Sie lieben ihre Arbeit.« Sie warf ihr dunkles Haar zurück
und verfolgte, wie das Boot auf einer hohen Welle ritt. »Egal, wie sehr sie jammern, sie lieben dieses Leben. Und Tim liebt sein Boot wie eine Mutter ihr erstgeborenes Kind. Er verkauft seinen Fang zu fairen Preisen, sodass niemand sagen kann, dem Riley wäre nicht zu trauen. Es geht also um die Liebe zur Arbeit, um Tradition, um Ehre, doch vor allem um Profit. Wenn man nicht an den Gewinn denkt, ist das, was man tut, nicht mehr als ein Hobby, meinen Sie nicht auch?«
    Er fing eine ihrer im Wind flatternden Locken. »Vielleicht bin ich doch von Ihrem Grips beeindruckt.«
    Lachend setzte sie sich wieder in Bewegung. »Lieben Sie das, was Sie machen?«
    »Ja. Ja, ich liebe es.«
    »Was gefällt Ihnen daran am besten?«
    »Was haben Sie gesehen, als Sie heute Morgen aus dem Fenster geschaut haben?«
    »Nun, vor allem Sie.« Für diese Antwort belohnte er sie mit einem warmen Lächeln. »Und davon abgesehen ein fürchterliches Chaos.«
    »Genau. Am besten gefällt mir eine leere Baustelle oder ein altes, halb verfallenes Gebäude. Es bietet einem unzählige Möglichkeiten der Veränderung.«
    »Möglichkeiten«, murmelte sie und blickte erneut hinaus aufs Meer. »Das kann ich nachvollziehen. Dann macht es Ihnen also Spaß, etwas aus dem Nichts heraus zu bauen oder etwas Verfallenes, Vernachlässigtes in einen guten Zustand zu versetzen.«
    »Genau. Es gefällt mir, Dinge zu verändern, ohne sie dabei zu zerstören. Wenn man einen Baum fällt, sollte man sich immer fragen, ob sich dieses Opfer für das, was man an seine Stelle setzen möchte, wirklich lohnt. Ob man etwas Dauerhaftes schafft oder sich nur einen flüchtigen, kurzfristigen Wunsch damit erfüllt.«
    »Da spricht wieder der Philosoph.« Auch wenn seine windzerzausten
Haare und die kleine Narbe von einer anderen, weniger ruhigen Seite sprachen, spiegelten sich seine Gedanken in dem nachdenklichen Gesicht. »Sind Sie vielleicht das Gewissen dieses Magee?«
    »Wenn es so wäre, wäre mir das durchaus recht.«
    Für einen schlichten Arbeiter hegte er seltsame Gedanken, sagte sie sich, doch es waren Gedanken, die ihr durchaus gefielen. Tatsache war ganz einfach, dass ihr augenblicklich alles an ihrem Begleiter zu gefallen schien. »Oben auf den Klippen, hinter dem großen Hotel, haben die Menschen bereits vor Jahrhunderten im großen Stil gebaut. Heute finden sich dort nur noch Ruinen, aber die Seele des Erbauten ist geblieben, und viele, die dort hinaufspazieren, spüren das. Die Iren wissen, was es heißt, Opfer zu bringen, weshalb und wann ein Opfer von Bedeutung ist.

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