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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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kompliziert und schön gefurcht jede Welle war, nie waren zwei gleich, nie glich eine ihrem vergangenen Selbst. Und wie warm strichen die Sonnenstrahlen über seine Haut, wie kühl segnete ihn die salzige Luft! Er hatte sein Fasten nicht gebrochen, was auch unklug gewesen wäre, wenn er bis in die untersten Tiefen tauchen wollte, und so war er sich seines leeren Bauches bewußt. Lind auch das war gut wie jede Bewußtheit.
    »Nun«, meint er, »je eher wir anfangen, desto eher sind wir fertig.«
    Die Seeleute glotzten ihn an. Sie hatten Piken an Deck gebracht, und sie umklammerten sie wie Schiffbrüchige einen Balken. Unter der Sonnenbräune, dem Schmutz und dem Haar waren fünf von diesen Gesichtern verstört; an den Kehlen tanzten die Adamsäpfel. Ranild stand fest, eine gespannte Armbrust im linken Arm. Niels war zwar auch bleich, aber er brannte und bebte mit der Begeisterung eines Burschen, der noch tu jung ist, um zu wissen, daß auch junge Burschen sterben können.
    »Beeilt euch, ihr Tölpel«, höhnte Kennin. »Wir tun die Arbeit, auf die es ankommt. Könnt ihr kein Bratspill drehen?«
    »Ich gebe die Befehle, Junge«, erklärte Ranild mit ungewohnter Ruhe. »Trotzdem hat er recht. Macht euch an die Arbeit.«
    Sivard benetzte seine Lippen. »Skipper«, krächzte er, »ich ... ich halte es für das beste, wenn wir es sein lassen.«
    »Nachdem wir bis hierher gekommen sind?« grinste Ranild. »Hätte ich gewußt, daß du ein Weib bist, dann hätte ich Verwendung für dich finden können.«
    »Was nützt einem Menschen Gold, der gefressen worden ist? Freunde, denkt nach! Der Krake kann uns nach unten ziehen, wie wir eine Flunder am Haken heraufziehen. Wir ...«
    Sivard sagte kein Wort mehr Ranild hatte ihm einen Schlag verpaßt, daß seine Nase blutete. »An die Schoten, ihr Hurensöhne!« brüllte der Kapitän, »oder Satan soll mich holen, wenn ich euch nicht eigenhändig an den Kraken verfüttere!«
    Schnell folgten sie dem Befehl. »Es fehlt ihm nicht an Mut«, sagte Eyjan in der Seesprache.
    »Und auch nicht an Tücke«, warnte Tauno. »Wende ihm und seinem hinterhältigen Haufen niemals den Rücken.«
    »Niels und Ingeborg mußt du ausnehmen«, entgegnete sie.
    »Oh, du willst ihm gewiß nicht den
Rücken
zuwenden, ebensowenig wie ich ihr den meinen«, lachte Kennin. Auch er empfand keine Furcht, er war wild darauf hinabzutauchen.
    Mit Hilfe eines Krans, den sie zusammengebaut und gegen de Mast gestützt hatten, zogen die Seeleute das Gerät empor, das unterwegs angefertigt worden war. Ein großes Stück Eisen war in einen Felsblock gehämmert worden, bis es fest eingekeilt war. Dann hatte man das herausragende Ende zu einer Speerspitze mit Widerhaken, geschliffen und geschärft. Überall an dem Felsblock saßen Ringe, und das riesige Netz war mit seinem Mittelstück daran befestigt. Am. Außenrand des Netzes hingen die zwölf Schiffsanker. Alles zusammen bildete ein Bündel, das unter einem Floß vertäut war, dessen richtige Größe man durch Versuch und Irrtum festgestellt hatte. Der Arm des Krans hob es auf das Schanzkleid an Steuerbord; die Kogge neigte sich.
    »Gehen wir«, sagte Tauno. Er selbst war ohne Furcht, obwohl er sich der Tatsache bewußt war, daß diese Welt – die ihn durchdrang und die er mit von der Gefahr dreifach geschärften Sinnen durchdrang – bald in Trümmer fallen könne, nicht nur in ihrer Gegenwart und, Zukunft, sondern auch in ihrer Vergangenheit.
    Die Geschwister legten die Kleider bis auf die Stirnbänder und Dolchgürtel ab. Jeder schlang sich ein Paar Harpunen über die Schultern. Sie standen für einen Augenblick an der Reling, hinter ihnen der flammende Meeresspiegel, der große Tauno, der geschmeidige Kennin, Eyjan mit der weißen Haut und den wohlgeformten Brüsten.
    Zu ihnen trat Niels. Er drückte ihnen die Hand, er küßte das Mädchen, er weinte, weil er nicht mit ihnen gehen konnte. Ingeborg stand währenddessen Hand in Hand und Auge in Auge mit Tauno. Sie hatte ihr Haar eingeflochten, aber eine verirrte braune Locke flatterte ihr um die Schläfe. Ihr stubsnasiges, sommersprossiges Gesicht mit dem vollen Mund hatte einen Ausdruck ernster Einsamkeit angenommen, den Tauno unter dem Seevolk niemals gesehen hatte.
    »Es mag sein, daß ich dich nicht wiedersehe, Tauno«, sagte sie, zu leise, als daß die anderen es hätten hören können, »und die Wahrheit ist, daß ich von dem, was in meinem Herzen ist, nicht sprechen kann und nicht sprechen darf. Aber ich werde

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