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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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brüllte er: »Vielleicht könnt ihr euch damit von den Haifischen die Heimfahrt erkaufen!« Und hinunter zu ihnen warf er den Leichnam Kennins.
     

9
    Die Delphine versammelten sich. Nach der Sitte des Seevolks ließen Tauno und Eyjan ihren Bruder bei ihnen. Sie hatten ihm die Augen geschlossen, die Hände gefaltet und das Messer fortgenommen – Stahl, der zu rosten begann – , damit es als etwas, das ihn gekannt hatte, weiter benutzt werde. Jetzt schickte es sich, daß er das letzte Geschenk machte, das er zu vergeben hatte, nicht den Meeraalen, sondern denen, die seine Freunde gewesen waren.
    Die Halbblutkinder zogen sich ein Stück zurück, während die langen blaugrauen Gestalten Kennin umkreisten – sehr ruhig, sehr behutsam – , und sie sangen über den abendlichen Ozean hinweg das Abschiedslied, das so endet:
     
    Weit in der Welt mit den Wolken nun wandere,
    Das, was einst dein war, wird dich überdauern.
    In Gischt und in Glanz sei dein Geist unvergänglich,
    Dein Fleisch in Delphinen und Fischen und Vögeln.
    Bring der Gebärerin Blut und Gebeine.
    Geliebter:
    Der Himmel nehme dich.
    Die See nehme dich.
    Uns wird der Abendwind an dich erinnern.
     
    »Oh, Tauno, Tauno«, weinte Eyjan. »Er war noch so jung!«
    Er drückte sie an sich. Die niedrigen Wellen schaukelten sie. »Undurchschaubar sind die Nornen«, sprach Tauno. »Er hat einen guten Abgang gehabt.«
    Ein Delphin kam zu ihnen und fragte auf Delphinweise, wie sie ihnen noch helfen könnten. Es hätte keine Schwierigkeit gemacht, das Schiff zurückzuhalten, zum Beispiel durch Zerschmettern des Ruders. Dann konnten sie Rache nehmen.
    Tauno sah zu der Kogge hin, die mit gerefften Segeln ruhig am Horizont lag.
    »Nein«, erklärte er, »sie haben Geiseln. Aber irgend etwas muß geschehen.«
    »Ich schneide Herrn Ranild den Bauch auf«, drohte Eyjan, »und binde das Ende seines Darms an den Mast und jage ihn ringsherum, bis er sich festgewickelt hat.«
    »Ich halte ihn so vieler Mühle kaum für wert«, entgegnete Tauno. »Doch gefährlich ist er. Es ist kein Kinderspiel, das Schiff anzugreifen, entweder mit den Delphinen oder indem wir uns von unten von Planke zu Planke vorarbeiten. Andererseits mag es unmöglich sein, es zu entern. Trotzdem müssen wir es versuchen, für Yria, Ingeborg und Niels. Komm, wir müssen essen – unsere Vettern werden uns etwas fangen – und uns ausruhen. Wir haben unsere Kräfte verbraucht.«
    Kurz nach Mitternacht erwachte Tauno erquickt. Die Trauer hatte ihn nicht verlassen, aber seine Gedanken kreisten vor allem um Rettung und Rache.
    Eyjan schlief noch, eingehüllt in eine Wolke ihres Haars. Seltsam, wie unschuldig, beinahe kindlich ihr Gesicht geworden war mit den leicht geöffneten Lippen und den langen Wimpern auf den Wangenknochen. Um sie schwammen die Wache haltenden Delphine. Tauno küßte sie auf die Einbuchtung, wo die Kehle in die Brust überging, und schwamm leise davon.
    Es war eine helle Nacht des nordischen Sommers. Oben glühte der Himmel, und in dem Zwielicht sahen die Sterne klein und schwach aus. Das schimmernde Wasser bewegte sich kaum. Über dem tieferen, kaum spürbaren Zug der Gezeiten glucksten die Weilchen. Die Luft war still, kühl und feucht.
    Tauno schwamm zur
Herning.
Er umkreiste sie so verstohlen wie ein Hai. Niemand schien am Ruder zu stehen, aber auf beiden Seiten des Hauptdecks hielt je ein Mann Wache – die Piken schimmerten – und ein dritter war im Krähennest. Die Laternen waren nicht angezündet, damit sie ihre Augen nicht blendeten. Das bedeutete, drei waren unten. Sie wachten ununterbrochen. Ranild war vor seinen Feinden auf der Hut.
    Doch genügte, was er tat? Die Reling lag mitschiffs kaum einen Faden über dem Wasser. Es war möglich hinaufzuklettern ...
    Und vielleicht einen Mann oder zwei zu töten, bevor der Lärm alle übrigen herbeirief. Das hatte keinen Sinn. Vanimens Kinder hatten schon einmal die ganze Mannschaft geschlagen, aber damals hatte kein Seemann eine andere Waffe als sein Messer gehabt, und einen richtigen Kampf hatte im Grund niemand gewollt. Es war ja auch – sobald Oluv aus dem Weg geschafft war – kein Kampf auf Leben und Tod gewesen.
    Außerdem war Kennin nicht mehr.
    Tauno ließ nur den Kopf bis zu den Augen aus dem Wasser sehen und wartete darauf, daß irgend etwas geschah.
    Endlich hörte er Schritte, und der Mann, der an Steuerbord dunkel vor dem Himmel aufragte, rief: »Sieh an, lechzt du schon nach uns?«
    »Du bist auf Wache, denke

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