Kinder des Wassermanns
...«
Er winkte Lave und Tyge zurück und trat selbst an den Bug. Niels stand verletzt und erstaunt da. »Macht schon«, schrie Ranild durch, Wind und Wellenschlag. »Führt uns eine gute Pose vor! Du bleibst am Leben, solange du deine Rolle durchhältst, Niels.«
»Nein!« rief der Gefangene. »Ingeborg, wie konntest du?«
Sie faßte seine Stirnlocke, zog trotz seines Widerstands sein Gesicht nah an ihres heran und flüsterte ihm etwas zu. Sie sahen, wie sich sein, Körper spannte, sie sahen, daß er sich erregte. »Was hast du gesagt?« wollte Ranild wissen.
»Laßt
mich
leben, vielleicht erzähle ich es euch dann«, antwortete Ingeborg keck. Sie und Niels ahmten das Ritual nach, so gut sie konnten, und die Seeleute brüllten vor Gelächter.
»Pax vobiscum«,
endete sie, die auch Kleriker gekannt hatte.
»Dominus vobiscum.«
Sie schlug über den knienden Jüngling das Kreuz. Es gab ihr die Gelegenheit, ihm zuzuflüstern: »Gott vergebe uns dies und vergebe mir, daß Er nicht der Herr ist, den ich gerufen habe Niels, wenn wir uns nach dem heutigen Tag nicht wiedersehen, le wohl.«
»Du auch, Ingeborg.« Er stellte sich auf die Füße. »Ich bin bereit«, sagte er.
Ranild – verwirrt, mit mehr als nur geringem Unbehagen – mit der Schlinge in der Hand auf ihn zu.
Und plötzlich kreischte Ingeborg.
»Ha-a-a-a-ah!«
Sie krallte die Fingernägel nach Laves Augen. Er sprang zur Seite. »Was zum Teufel ...?« würgte er hervor. Ingeborg hing an ihm, kratzend, beißend, schreiend. Tyge eilte zur Hilfe. Niels senke den Kopf, preschte vor und stieß ihn Ranild in den Magen. Der Kapitän setzte sich auf seinen Hintern. Niels trat ihm in die Rippen. Torben und Palle sprangen von den Schanzkleidern, um den Jungen zu ergreifen. Sivard sah von oben mit offenem Mund zu.
Die Delphine waren so viele Stunden im Kreis herumgeschwommen, um die Mannschaft davon zu überzeugen, aus dem Wasser sei keine Gefahr zu erwarten, daß sie es nicht weiter beobachteten. Zu spät rief der Mann im Krähennest eine Warnung hinunter.
Eyjan stürmte unter dem Achterdeck hervor. Das Messer in ihrer Hand blitzte auf.
Aus der See kam Tauno. Er hatte seine Lungen geleert, während er sich an dem von Seepocken besetzten Rumpf festgehalten hatte, unter der Ausbauchung des Vordecks verborgen. Jetzt erhob sich ein Delphin neben ihm. Mit Fingen und Zehen faßte Tauno die Rückenflosse, und der Sprung trug ihn halbwegs vom Wasser bis zum Schanzdeck. Er faßte die Reling und schwang sich an Bord.
Palle wollte sich umdrehen. Der Sohn des Wassermanns faßte den Pikenschaft mit der linken Hand, die rechte stieß den Dolch in Palles Körper. Der Seemann schrie und blutete stark. Tauno rammte Torben das stumpfe Ende der Pike in die Rippen. Torben taumelte zurück.
Tauno durchschnitt das Tau, das Niels' Handgelenke fesselte. Er reichte ihm das zweite Messer, das er bei sich trug. »Hier, das hat Kennin gehört!« Niels stieß einen einzigen Dankesruf an den Herrn der Heerscharen aus und stürzte sich dann auf Torben.
Lave hatte immer noch Mühe, Ingeborg abzuwehren. Eyjan kam von hinten und trieb ihm die eigene Klinge in die Schädelbasis. Bevor sie den Stahl aus der Wunde ziehen konnte, stach Tyge mit der Pike nach ihr. Mit verächtlicher Mühelosigkeit duckte sie weg und unterlief seine Deckung. Was als nächstes geschah, braucht nicht erzählt zu werden. Das Seevolk führte keine Kriege, aber es wußte, wie man einen Feind auseinandernimmt.
Oben im Mastkorb beschmutzte Sivard sich und winselte um Gnade.
So angeschlagen Torben war, gelang es Niels doch nicht, ihn sofort zu töten. Er mußte mehrmals angreifen, ehe er ihm das Messer in den Bauch stoßen konnte, und dann starb Torben nicht daran. Er schlug blutend und heulend um sich, bis Eyjan Zeit fand, ihm dem Todesstoß zu versetzen. Niels erbrach sich. Inzwischen war Ranild wieder auf die Füße gekommen. Sein Schwert flog aus der Scheide; das kalte Licht lief die Klinge entlang. Er und Tauno umkreisten einander und suchten nach einer Blöße des Gegners.
»Was du auch tust«, sagte Tauno zu ihm, »du bist ein toter Mann.« »Wenn ich im Fleisch sterbe«, höhnte Ranild, »werde ich in Ewigkeit leben, doch aus dir wird nichts anderes als Dung.«
Tauno bliebt stehen und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich verstehe nicht, warum das so sein soll«, meinte er. »Doch vielleicht braucht eure Art die Ewigkeit notwendiger.«
Ranild glaubte, jetzt eine günstige Gelegenheit zu haben. Er
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