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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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»Willst du der nächste sein?« lud sie ihn ein. »Das würde mir Freude machen.«
    »Nein!« hörte er sich selbst schroff antworten. »Hinaus mit euch!«
    Sie gingen und blickten gekränkt drein. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Nun war er allein. Durch den üblen Qualm der Lampe blickte er in die Augen der Heiligen Mutter und fragte sich, warum er so wütend geworden war. Was hatten diese beiden Schlechtes getan ... nach ihrer eigenen Auffassung? Sie waren seelenlos, sie konnten nicht sündigen, ebensowenig wie ein Tier sündigen konnte. Und er konnte es auch nicht.
    »Ist das nicht wahr?« fragte er laut. Es kam keine Antwort.
     
    Tag und Nacht, Tag und Nacht, Tag und Nacht, bis das Zählen in der Müdigkeit ertrank, trieb der Sturm das Schiff vor sich her.
    Später war so gut wie nichts aus dieser Zeitspanne im Gedächtnis haften geblieben. Sie bestand aus nichts als Chaos, Kampf, halb bewußtem Schmerz und Verlust. Am schärfsten schnitt es Vanimen ins Herz, daß sein Mörderwal verschwand. Vielleicht verlor er in all dein Schrecken den Verstand und schwamm blindlings davon, wie es auch mehrere aus dem Seevolk taten.
    Er sah ihn nie wieder.
    Irgendwie bewahrten er und seine Leute das Schiff vor dem Sinken, obwohl es am Ende so schlimm leckgeschlagen war, daß die Pumpen niemals innehalten durften. Irgendwie überlebten sie den Sturm. In allem anderen machte er mit ihnen, was er wollte – bis er vorüber war.
    Der Hulk lag vor den Toren des Herkules. Vanimen erkannte die verschleierten blauen Massen am Rand der Welt, Spanien und Afrika, von der Zeit her wieder, als er auf Abenteuer nach Süden gezogen war. Die Wellen waren immer noch hoch, aber azurblau und grün unter einem völlig reingewaschenen Himmel; über jede Bewegung tanzte ein Glitzern. Die Sonne verbreitete Wärme und lockte Gerüche nach Teer hervor, die sich mit dem des Salzes und den Düften der Brise vermischten. Ein Pochen und Murmeln lief duch Planken, Ohren, Knochen: ein Lied des Friedens.
    Bisher hatte sich noch kein Fahrzeug aus dem Hafen herausgewagt. Um dies eine scharten sich die Delphine in ihrer unersättlichen Neugier. Vanimen ließ eine Mannschaft auf dem Deck zurück, die ebenso ausgemergelt und schwach in den Knien war wie er selbst. Er sprang über Bord, tauchte ins Wasser ein, schwamm nach unten, stieg wieder auf, um weiter Luft atmen zu können. Sein Fleisch spürte jedes Weilchen, das durch das saubere, ihn tragende Wasser lief. Er sprach die Delphine an.
    Was konnten sie ihm über das Meer der Mittelwelt erzählen? Bei seinen früheren Besuchen war er nicht viel weiter als bis zu einem großen, löwengestaltigen Felsen in der Meerenge geschwommen. Die Christenheit war hier schon sehr lange ansässig; vom Feenreich schien wenig oder nichts übriggeblieben zu sein. Heute war für ihn alles ganz anders als damals. Sein Schiff würde nie mehr den Ozean überqueren. Er konnte von Glück sagen, wenn es noch weitere tausend Seemeilen schaffte, bevor es sank, und der Weg mußte durch ruhigere Gewässer führen als die, die sich westwärts erstreckten. Gab es irgendeinen Zufluchtsort, an den er das Volk von Liri bringen konnte?
    Die Delphine schwatzten miteinander. Sie sandten Boten fort, um weiteren Rat einzuholen, und sie sprangen und ließen Regenbogenwolken aufsprühen. Das dauerte seine Zeit. Inzwischen ruhten sich die Leute aus, jagten, gewannen ihre Kraft zurück. Glücklicherweise trat absolute Windstille ein, die sich beträchtliche Zeit hielt, so daß keine Menschen herangesegelt kamen, um nachzuforschen, wer das sein mochte.
    Endlich erhielt Vanimen eine Art von Antwort. Die meisten Lande innerhalb der Tore würden zweifellos ungastlich sein. Es gab zu viele Fischer, und Fischjäger würden sie, ganz abgesehen von der Meinung der Kirche, nicht willkommen heißen. Die afrikanische Küste mochte besser sein, doch da gehörte die Menschheit einem Glauben an, der noch wütender gegen die Bewohner des Feenreichs vorging, als es die Christen im allgemeinen taten.
    Aber ... an einer bestimmten Küste am Ostrand eines schmalen Meeresarms war das anders. Die Delphine hatten Mühe, es zu erklären. Sie wußten nur, daß nichts dem Seevolk Ähnliches dort wohnte, und doch war das Feenreich nicht ausgelöscht worden wie zum Beispiel in Spanien. Nein, nach den kurzen Blicken und Begegnungen, die den Delphinen zuteil wurden, war dieses Land überreich an nichtmenschlichen Wesen. Waren die Sterblichen dort toleranter als anderswo? Wer

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