Kinder des Wassermanns
Gefangenen verzehrten. Als sie fertig waren, bellte er Tauno an: »Wirst du jetzt kommen?« Dann ging er auf die Tür zu.
»Noch einen Augenblick«, sagte Tauno.
Haakon fuhr herum. »Hast du vergessen, was du hier bist?« Tauno gab ihm seinen starren Blick zurück. »Hast du vergessen, was Führerschaft ist ... sogar hier?«
Dann kniete der Liri-Prinz neben seiner Schwester nieder, nahm sie in seine Arme und murmelte in den frischen Duft ihres Haars und ihres Körpers: »Eyjan, mein Los ist das bessere. Wenn ich sterbe, wird es auf saubere Art sein. Du aber – hier sind Frauen, Kinder und alte Leute, die dich bewachen. Kannst du dir ihre Ängste zunutze machen oder sie irgendwie überlisten und ...?«
»Ich werde es versuchen«, antwortete sie. »Aber, oh, Tauno, die ganze Zeit werde ich an dich denken! Wenn wir heute nur zusammen ausziehen könnten!«
Sie sahen sich in die Augen, als sie das »Lied des Abschieds« sangen:
Liebende leiden, und schwer fällt das Scheiden,
Wenn sie voll Wehmut und dunkler Gedanken.
Wir aber woll'n uns nicht trennen mit Tränen.
Fröhlich, mit festem Sinn, Hoffnung im Herzen
Laß uns so lachen, wie einst wir es oft getan.
Liebster, ich leihe dir gerne mein Glück,
Doch bitt' ich dich, bringe es recht bald zurück mir.
Noch einmal küßte er sie, und sie ihn. Er stand auf und ging nach draußen.
Elf kräftige Männer und Burschen kamen mit. Sie konnten zwei der drei Boote bemannen, die Haakon von alters her besaß. Jonas hatte mehr Leute von den benachbarten Höfen herbeiholen wollen. »Wenn es uns mißlingt und wir sterben«, sagte er, »ist dieses Haus aller Kraft beraubt.«
Haakon verweigerte ihm den Wunsch. »Wenn es uns mißlingt, werden alle vernichtet. Eine Flotte von Booten könnte den Tupilak nicht überwinden. Das ist schon versucht worden, wie du weißt ... Drei konnten entkommen, während er die übrigen zerstörte. Diesmal liegt unsere Hoffnung hauptsächlich in dem Meermann begründet, und er ist allein. Außerdem ...« – für einen Augenblick durchbrach der Stolz seine Verzweiflung – »... bin ich Vogt des Königs für diese Grafschaft, und meine Aufgabe ist es, Leben zu schützen, nicht, es in Gefahr zu bringen. Wenn unsere kleine Zahl siegt, werden wir in den Sagas weiterleben, solange es Menschen in Grönland gibt.«
Während die Boote ins Wasser gezogen wurden, zog Tauno sich aus und badete. Er würde keine Waffen erhalten, bis der Angriff erfolgte. Die meisten der Männer fürchteten ihn beinahe ebensosehr wie das Ungeheuer. Zwar hatten sie ihn niedergeschlagen und gebunden, aber er blieb ein unheimliches Wesen, und vielleicht hätte sie ein weniger unbeugsamer Wille als der Haakons niemals dazu gebracht, sich in Taunos Gesellschaft aufs Meer zu wagen.
Schweigend nahmen sie ihre Plätze ein. Ruder knarrten in den Dollen, platschten ins Wasser, das zurück an die Planken schlug und die Boote stampfen ließ. Gischt sprühte Salz auf die Lippen. Die heimatlichen Wiesen fielen achtern zurück; der Fjord wurde breiter, dunkel und schaumgestreift erstreckte er sich zwischen den nackten Klippen. Unter den niedrigen Wolken flog eine Schar schwarzer Lummen dahin. Ihre Schreie gingen im schwermütigen Singen des Winds unter. Die Sonne war eine trübe, wärmelose Scheibe, die sich kaum über die Berge erhob. Es war, als strahlten die Schneegipfel und die Gletscher dahinter Kälte aus.
Jeder Mann hatte ein Ruder, auch Tauno. Er saß bei Haakon im Bug. Vor ihm waren Jonas und Steinkil; das letzte Paar in diesem Boot waren schmierige Zwerge, deren Namen er weder wußte noch wissen wollte. Das zweite Boot hielt sich ein paar Faden nach Steuerbord an ihrer Seite. Er legte sich mit aller Kraft in die Riemen, froh darüber, sich bewegen und aufwärmen zu können, so düster die Aussichten auch waren. Nach kurzer Zeit sagte Haakon: »Immer mit der Ruhe, Tauno. Wir kommen mit dir nicht mit.«
»Stark wie ein Bär, ha?« warf Steinkil über die Schulter zurück. »Nun, vielleicht hätte ich lieber einen Bären an Bord.«
»Verspotte ihn nicht«, legte sich Jonas unerwartet ins Mittel. »Tauno, es ... es tut mir leid. Glaube mir, daß wir unser Wort halten werden. Mein Vater ist ein Mann von Ehre. Ich versuche, einer zu sein.«
»So wie diese Nacht bei meiner Schwester?« höhnte Tauno.
Haakon ließ einen Schlag aus. »Was ist das?«
Jonas warf Tauno einen bittenden Blick zu. Dieser dachte schnell nach und meinte: »Oh, das hat doch jeder gemerkt, wie er
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