Kinder des Wassermanns
Eyjan schubste einen Sessel an den richtigen Platz und setzte sich ihrer Gastgeberin gegenüber.
„Aber wir auf dem Land sind mit dem Fluch Evas belastet. Wie oft habe ich das Wort Gottes gehört: Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.“ Ingeborg umklammerte die Armlehnen ihres Sessels. Sie würde niemals Kinder gebären.
Eyjan sah es und versuchte unbeholfen, sie zu trösten. „Du hast es besser getroffen als viele, nicht wahr? Niels ist ein Mann, mit dem angenehm zu leben ist, und ich habe festgestellt, daß er in verschiedenen Dingen deinen Rat sucht; du bist nicht bloß sein Spielzeug.“
„Das ist wahr. Und trotzdem bin ich eine ausgehaltene Frau, mit der keine ehrbare Ehefrau etwas zu tun haben will, wenn es sich irgend vermeiden läßt. Und natürlich auch kein ehrbarer Mann. Sie grüßen mich wohl höflich, diese Kaufleute und Edelleute und Schiffskapitäne, aber mit dem Grüßen ist auch Schluß. Was sie mit Niels besprechen, erfahre ich hinterher von ihm oder auch nicht. Und er ist vielbeschäftigt, muß viel von zu Hause fort sein. Ich kann seine Stellung nicht beeinträchtigen, indem ich mich mit irgendwem unter unseren Dienstboten anfreunde. Oh, weniger einsam war es in meiner Hütte am Strand.“ Ingeborg lachte auf. „Auch wenn du für das, was du hast, Eyjan, kein Dankgebet sprechen wirst, sei froh darüber.“
„Dann erhoffst du dir vom Schicksal nichts Besseres mehr?“ fragte die Prinzessin von Liri leise.
Die Frau zuckte die Schultern. „Wer weiß? Mir ist durchaus klar, wieviel Glück ich gehabt habe, und ich habe schon vor Jahren gelernt, immer Obacht zu geben, um mir die nächste günstige Gelegenheit, die sich bieten mag, nicht entgehen zu lassen.“
„Als Niels’ angetraute Frau …“
Ingeborg schüttelte heftig den Kopf. „Nein. Er hat es mir angeboten, aber ich habe gesehen, wie erleichtert er war, als ich es ablehnte. Was soll er auch mit einer früheren Hure, die keine verwandtschaftlichen Beziehungen hat und ihm nicht einmal Söhne schenken kann? Nein, wenn er heiratet, gehe ich … oh, ruhig, in allen Ehren, und seine schützende Hand bleibt mir erhalten, solange wir beide leben, und vielleicht können wir hin und wieder der alten Zeiten wegen miteinander schlafen – doch gehen werde ich.“
Sie kämpfte mit sich, bevor sie es herausbrachte: „Wenn er je heiratet. Seine Leidenschaft für dich mag in ihm zu stark werden. Mit mir kann er offen darüber sprechen; oft ist es geschehen, daß ich ihn in meine Arme genommen habe, während er um dich weinte; aber eine andere … Erspare ihm das, Eyjan, wenn es dir irgendwie möglich ist.“
„Wie?“ fragte sie. „Eure Wege sind nicht die meinen.“ Nach einem Augenblick: „Ist diese unsterbliche Seele, die du hast, es wirklich wert, das Leben einer Frau führen zu müssen?“
Ingeborg erschauerte. „Gott verzeihe mir“, flüsterte sie, „ich weiß es nicht.“
Der Frühling kam stürmisch mit Blumen und Vogelgesang, eine Jahreszeit der Liebe, eine Jahreszeit des Vergessens und des Abschiednehmens. Die Kogge Brynhild zog ihr Segel auf, warf die Leinen los und legte mit der Flut ab. Bis sie außer Sicht war, standen Ingeborg und Niels am Kai und winkten.
Dann: „Wenigstens haben wir sie für diese Zeit gehabt“, sagte sie.
Seine Faust war geballt, als wolle er zuschlagen, sein Blick verlor sich am Horizont. „Sie hat mir versprochen zurückzukommen“, murmelte er. „Zumindest noch einmal, um mir zu berichten, wie es ihr geht. Wenn sie kann. Wenn sie am Leben bleibt.“
„In der Zwischenzeit hast du deine Arbeit“, stellte Ingeborg scharf fest. „Ich … sollte mehr über meine eigene Nase hinaussehen, als ich es bisher getan habe.“ Sie nahm seinen Arm. „Es hat keinen Sinn, hier herumzustehen. Komm, gehen wir nach Hause.“
Auf Deck sah Tauno Land, Wasser und Segel vorüberziehen, trank in tiefen Zügen die Luft und sagte: „Endlich sind wir aus diesem Stinkloch heraus! Es war höchste Zeit. Ich hatte schon das Gefühl, ich finge an zu verfaulen.“
„Geht es uns hier besser?“ entgegnete Eyjan. „Diese beiden hängen an uns.“
„Ja, sie haben sich als treu und zuverlässig erwiesen.“
„Mehr als das. Was sie uns von sich selbst gegeben haben – wo können wir das jemals finden?“
„Bei Leuten unserer eigenen Art.“
„Wenn sie noch so sind, wie wir sie in Erinnerung haben. Und selbst wenn …“ Eyjan
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