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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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reich, aber von guter Herkunft. Einer deiner Vorväter war ein Edelmann im Dienst der Königin Dagmar geliebten Angedenkens, als sie vor hundert Jahren aus Böhmen kam, um König Waldemar den Siegreichen zu heiraten. Du hast erfahren, daß es noch weiter südlich in Kroatien Verwandte von dir gibt, und dich entschlossen, selbst nachzusehen, ob das stimmt und ob daraus irgenwel-che Vorteile zu gewinnen sind. Das hast du geheimgehalten, um Agenten der Hanse nicht mit der Nase darauf zu stoßen, daß durch bestimmte Abkommen ein Handelsverkehr über Land quer durch das Deutsche Reich entstehen könnte, denn vielleicht hätten sie sogar versucht, dich zu ermorden, um es zu verhindern. Obwohl die Chance nicht groß ist, wie jeder vernünftige Mann erkennen wird, ist sie doch ein genügender Anreiz für meine Gesellschaft, etwas aufs Spiel zu setzen und dich mit einem Schiff und einer Mannschaft zu versorgen. Außerdem verlasse ich mich darauf, daß meine Leute mit irgendeiner Fracht zurückkommen, die sich hier gut absetzen läßt. Es liegt nun in meinem Interesse, dich mit königlichen und episkopalen Empfehlungsbriefen zu versehen, und du wirst sie schon aus dem Grund bekommen, weil die dänischen Herren neugierig sind, mehr über die Kroaten zu erfahren.“
    Tauno lachte und schüttelte den Kopf. „Bei den Gebeinen meiner Mutter, hast du dich verändert!“ rief er. „Aus all diesen eleganten Wörtern höre ich den einfachen Matrosen der Herning nicht mehr heraus. Sie reißen mich mit sich fort wie ein Strudel.“
    Niels runzelte die Stirn. „Du wirst lernen müssen, sie und viele andere selbst zu gebrauchen. Andernfalls wirst du dich verraten, und das wird dich … und Eyjan wahrscheinlich das Leben kosten.“
    Über den Knöcheln der Hände, die die Zügel hielten, spannte sich die Haut. „Ja, und was ist mit ihr? Als was wird sie reisen?“
    „Als Frau Sigrid, deine verwitwete Schwester, die dich mit dem ausgesprochenen Ziel einer Pilgerreise begleitet und dem unausgesprochenen, eine bessere Heirat abzuschließen, als sie es in Dänemark könnte.“
    Tauno sah ihn durchbohrend an. „Meine Schwester? Warum nicht meine Frau?“
    Niels gab ihm den Blick zurück. Unsichtbare Funken flogen. „Würdet ihr beiden das wirklich wollen?“
    Der Liri-Prinz peitschte sein Pferd zum Galopp an.
    Regen goß in Strömen vom Himmel, trommelte auf den Dächern, verwandelte die Straßen der Stadt in Flüsse. Blitze zuckten, Donner rasselte auf riesigen Rädern vorbei, Wind heulte.
    Ein Kachelofen heizte den Hauptraum von Niels Jonsens Haus; Kerzen warfen Licht auf Täfelungen, Wandbehänge, geschnitzte Möbel. Ingeborg hatte die Dienstboten entlassen und die Türen geschlossen, damit sie den Unterricht fortsetzen konnte, den sie Eyjan im Benehmen einer vornehmen Dame erteilte.
    „Natürlich bin ich selbst keine, aber ich habe diese Art beobachtet, ich habe mich darin geübt, sie nachzuahmen. Und du gehst zu stolz.“
    „Hör auf!“ rief die Tochter des Wassermanns aus. „Du hast mich schon ganz vollgestopft mit diesem Unsinn.“ Sie brach ab, beruhigte sich, lächelte. „Verzeih mir. Ich weiß, du tust für uns, was du kannst. Aber hier drinnen ist es so heiß und so eng, die Wolle klebt und kratzt und erstickt meine Haut. Ich kann es nicht mehr aushalten.“
    Ingeborg sah sie eine Weile an. Bis auf das Rütteln des Sturms an den Fensterläden war es ganz still. Schließlich sagte sie: „Du mußt es aushalten. Es ist das Los der Frauen, und du wirst eine Frau sein, solange eure Reise dauert. Vergiß das nie, oder du wirst Tauno dem Tod ausliefern.“
    „Aber können wir nicht für heute Schluß machen?“
    „Aye, das ist vielleicht am besten.“
    „Laß mich ein- oder zweimal Luft holen, ehe wir uns weiter mit deiner Welt befassen“, bat Eyjan. Mit Bewegungen, die jetzt schon recht geschickt waren, zog sie ihre Kleider aus und warf sie heftig zu Boden. Nackt ging sie an ein Schränkchen und goß sich einen Becher Met ein. „Möchtest du auch etwas?“
    Ingeborg zögerte, und dann antwortete sie: „Ja, bitte. Aber hüte dich davor, dich zu betrinken. Das ist etwas für Huren und Schlampen – und Männer.“
    „Ist in eurer christlichen Welt alles für Männer?“
    „Nein, das nicht.“ Ingeborg nahm das Glas, das Eyjan ihr reichte, und setzte sich auf einen Sessel. „Wir lernen es, wie wir ihnen eine ganze Menge abschmeicheln können.“
    „Im Meer hatte es niemand nötig, einem andern etwas abzuschmeicheln.“

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