Kinder des Wassermanns
verstummte. Nach einer Pause, in der das Schiff weiter aufs Meer hinausfuhr, bis kein Turm von Kopenhagen mehr zu sehen war, schloß sie: „Dies wird eine lange Reise werden, mein Bruder.“
Als die Tage zu Wochen wurden, merkten die Männer der Brynhild, daß an ihren Passagieren irgend etwas unheimlich war. Zunächst einmal waren Herr Carolus und Frau Sigrid kurz angebunden und geradezu launisch. Sie konnten Stunden hintereinander über die Wellen hinweg oder hinauf zu den Sternen blicken. Oder sie schlossen sich in ihren Kabinen ein und gaben Befehl, es solle ihnen weder Fleisch noch Getränk gebracht werden. Dazu kam, daß mehrere Matrosen den Eindruck hatten, er oder sie sei gelegentlich bei Nacht heimlich über Bord gesprungen. Keiner hatte sie je wieder hinaufklettern sehen. Doch hatte der Schiffseigner den merkwürdigen Befehl gegeben, daß ständig eine Strickleiter am Heck nachgeschleppt werden sollte, falls ein Matrose ins Meer fiele – als ob Seeleute schwimmen könnten! Ob das nun etwas zu bedeuten hatte oder nicht (und Kapitän Asbern Riboldsen hielt seiner Mannschaft vor, sie seien ein abergläubischer und einfältiger Haufen), die beiden nahmen niemals am gemeinsamen Gebet teil. Sie behaupteten, sie zögen es vor, ihre Andacht allein zu halten. Aber wen beteten sie an? Es wurde gemunkelt, man habe einen Zauberer und eine Hexe an Bord genommen.
Doch mangelte es an schlüssigen Beweisen. Carolus und Sigrid taten vor Zeugen nichts Anstößiges, und das Schiff geriet auch nicht in nennenswerte Schwierigkeiten. Gleichzeitig bewiesen ungünstige Winde und Windstillen, daß niemand das Wetter verhexte. Zudem waren Niels Jonsen und sein Partner als feine Kerle bekannt, die arme Seeleute bestimmt nicht hinterrücks mit dem Bösen in Verbindung bringen würden. Niels hatte die Mannschaft warnen lassen, dies werde eine völlig andere Fahrt als alle, von denen sie schon gehört hätten, abenteuerlich wie ein Würfelspiel in einer Kneipe in Visby … aber gut bezahlt, sehr gut bezahlt.
So sehr sich die Männer auch den Kopf zerbrachen, im ganzen verlief die Reise friedlich: durch die Nordsee und den englischen Kanal, um die Bretagne, den Golf von Biscaya hinunter, an den iberischen Küsten entlang – wo mit aller Wachsamkeit nach maurischen Kreuzern aus Afrika Ausschau gehalten werden mußte – und durch die Tore des Herkules. Hier nahm Kapitän Asbern einen Lotsen an Bord, der ihnen den weiteren Weg zeigen sollte. Eine große Hilfe war, daß Herr Carolus die Sprache dieses Abenteurers aus Mallorca kannte (woher bloß?). Und so erreichte gegen Mittsommer die Kogge Dalmatien und segelte die Küste hinauf.
6
Mit Pferden und Dienern, die sie in Schibenik gemietet hatten, schlugen Herr Carolus und Frau Sigrid die Straße nach Skradin ein. Der Satnik hatte eine Botschaft von der Stadt zur Burg vorausgeschickt, und der Zhupan stellte eine militärische Eskorte für seine vornehmen Besucher. Der Zug bot einen prächtigen Anblick, als er sich in die Berge hinaufwand, Metall schimmerte, Federn und Mäntel wehten in vielen Farben, Hufe klapperten, Harnische klirrten unter einem wolkenlosen Himmel. Die Wärme lockte starke, süße Düfte aus den Tieren, den reifenden Getreidefeldern und Heuwiesen zur Rechten, dem hohen grünen Wald zur Linken.
Trotzdem zog Tauno die Nase kraus. „Puh, dieser Staub!“ sagte er in dänischer Sprache, die sich für solche Dinge besser eignete als die von Liri. „Mein Inneres hat sich in … in eine ganze Ziegelei verwandelt. Kannst du glauben, daß sich Seevolk freiwillig an Land ansiedelt?“
Eyjan, auf einem Zelter neben seinem Wallach reitend, sah ihn aus dem Schleier, der ihre Mähne verbarg, steif an. „Vielleicht ist es nicht freiwillig gewesen“, antwortete sie. „Was hast du nun eigentlich herausgefunden?“ Ihm als Mann war natürlich die Aufgabe zugefallen, mit den Leuten zu sprechen; Panigpaks Geschenk hing unter seinem Hemd. Die Kroaten waren so begierig auf eine Unterhaltung mit diesem Fremden gewesen, daß Tauno bisher kein Augenblick geblieben war, Eyjan ins Bild zu setzen.
„Wenig“, gestand er. „Ich wagte es nicht, immer wieder auf diese Frage zurückzukommen, weißt du, denn mit unseren angeblichen Geschäften hat sie ja nichts zu tun. Und ich bin nicht geschickt darin, jemandem die Würmer aus der Nase zu ziehen. Ich konnte nur so nebenbei bemerken, ich hätte Gerüchte gehört und sei neugierig. Die Leute wichen dem Thema aus. Mir schien es
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