Kinder des Wassermanns
davon gesprochen habe. Es sollen dort wunderbare Strände und seichte Gewässer sein, von denen die Christenheit so gut wie nichts weiß und so auch keine Herrschaft darüber ausübt. Wenn wir in diese Gegenden gingen, hätten wir sie für uns selbst – Weite, Leben und Schönheit, um darin zu wachsen, frei und im Frieden.“
Das Erstaunen machte sich in Stimmengewirr Luft. Haiko war der erste, der ausrief: „Gerade noch hast du behauptet, mitten im Ozean könnten wir nicht lange bleiben. Können wir – vor allem die Kinder unter uns, und auch die meisten Erwachsenen – eine so lange Reise überleben? Da hast du den Grund, warum niemand von unserer Art dort wohnt!“
„Wahr, Wahr.“ Der König hob seinen Dreizack. Schweigen trat ein. „Aber hört mich an“, sprach er. „Auch ich habe nachgedacht. Wir könnten den Weg ohne Verluste oder doch mit nur geringen zurücklegen, wenn es unterwegs Inseln gäbe, auf denen wir uns ausruhen, neue Kräfte sammeln und bei Gefahr Zuflucht suchen könnten. Es gibt aber keine? Nun, was haltet ihr von einer schwimmenden Insel, die wir mitnehmen? Eine solche Insel wird ein Schiff genannt.
Die Menschen haben uns, die wir ihnen nie etwas angetan haben, soviel Leid zugefügt, daß sie uns etwas schuldig sind. Ich sage: Nehmen wir ihnen ein Schiff weg und steuern wir es nach Westen – in die Neue Welt!“
Am Abend hatte der Sturm sich gelegt, und ebenso war es mit dem Sturm, der unter dem Liri-Volk getobt hatte. Nach Stunden des Für und Wider hatten sie zugestimmt. Die meisten von ihnen versuchten gegen Morgen, Schlaf zu finden, und rollten sich hinter den Dünen zusammen. Ein paar aber jagten nach Wild, von dem sie sich ernähren konnten.
Vanimen schritt mit Meiiva immer wieder rund um das Inselchen. Sie standen einander nahe, waren vor und nach Agnete oft Liebende gewesen. Weniger flüchtig, mit mehr Gefühl begabt als die anderen, konnte sie ihn häufig aufheitern.
Im Osten bildete der Himmel einen veilchenblauen Kelch für die ersten Sterne. Im Westen strömte es in Rot, Purpur und heißem Gold. Das Wasser bewegte sich leuchtend und einschläfernd. Die Nacht war ruhig und etwas milder als bisher; sie roch nach Tang und Ferne. Man konnte schon Hunger, Müdigkeit und Weh beseite schieben, um sich einer Stunde der Hoffnung zu erfreuen.
„Bist du ehrlich überzeugt, es sei zu schaffen?“ fragte Meiiva.
„Ja“, erklärte der König. „Ich habe dir ja erzählt, wie ich die Umgebung dieses Hafens in der letzten Zeit immer wieder und wieder ausgekundschaftet habe. Wir müssen uns eben auf die Lauer legen und eine günstige Gelegenheit abwarten. Doch zu dieser Jahreszeit glaube ich nicht, daß es lange dauern wird; die Stadt betreibt viel Handel. Niemand wird es wagen, uns des Nachts zu verfolgen, und bei Sonnenaufgang werden wir weit fort und nicht mehr aufzuspüren sein.“
„Weißt du, wie man mit einem Schiff umgehen muß?“ wollte sie wissen. „Das ist heute überhaupt nicht zur Sprache gekommen.“
„Nun, ich weiß nur wenig – das, was ich selbst gesehen oder von Menschen erfahren habe. Ich hatte früher gelegentlich Freunde unter ihnen, wie du dich erinnern wirst“, antwortete Vanimen. „Aber wir können es lernen. Die Gefahr dabei sollte nicht groß sein, wenn wir achtgeben, nicht zu nahe an eine Küste zu kommen. Auch sollten wir ohne Hast vorgehen.“ Schneller fuhr er fort: „Denn wir werden unsere Insel bekommen. Wenn wir uns abwechselnd auf ihr ausruhen können, brauchen wir weniger Nahrung; so können wir uns durch die Jagd ernähren. Und natürlich brauchen wir uns keine Sorgen um Süßwasser zu machen wie die Menschen. Und wir finden unseren Weg besser als sie. Außerdem wissen wir, daß sich dort, wohin wir steuern, nicht der Rand der Welt befindet, über den die Wasser tosend in den Abgrund stürzen, sondern sicheres Land, und das allein schon bedeutet den Unterschied, der uns retten wird.“
Sein Blick wanderte vom Sand und mageren Pflanzenwuchs zu dem schimmernden Sonnenuntergang am westlichen Horizont. „Ich weiß nicht, ob ich die Kinder Adams bemitleiden oder beneiden soll“, murmelte er. „Wirklich, ich weiß es nicht.“
Meiiva ergriff seine Hand. „Du fühlst dich auf seltsame Weise von ihnen angezogen“, meinte sie.
Er nickte. „Aye, und im Fluß der Jahre immer stärker. Ich spreche nicht darüber, denn wer würde es verstehen? Doch ich spüre … ich weiß nicht … daß mehr in der Schöpfung ist als unser
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