Kinder
berichten?«
Die beiden nickten.
»Gut«, sagte der Fremde. »Das wäre wirklich gut.«
Er sah sie noch einmal prüfend an, dann wandte er sich um und ging
aus der Wohnung.
Auf dem Weg in die große Pause sah Michael nicht weit vom
großen Baum entfernt Tobias und Marc stehen. Sie unterhielten sich und schauten
dabei immer wieder zum Haupteingang hinüber. Dann entdeckten sie Michael, stießen
sich kurz in die Seite und lachten. Als er sie böse anfunkelte, wandten sie
ihre Blicke ab und schlenderten betont lässig zu einem der Ausgänge des
Schulhofs hin.
Erst überlegte Michael, ob er den beiden folgen und ihnen ein wenig
Angst einjagen sollte, damit sie ihn auch ja in Ruhe ließen – doch dann holten
ihn Ronnie und Petar ein, und wenige Augenblicke später sprachen sie schon von
dem neuen Ballerspiel, das als Raubkopie in der Schule kursierte.
»Wagner.«
Kriminaldirektor Klaus Wagner war länger geblieben, um leidigen
Papierkram zu erledigen. Und gegen halb sieben hatte er nun wirklich keine Lust
mehr, sich mit dem ganzen Sprüchlein zu melden, das sie auf Wunsch des Präsidiums
zur Pflege des Gesamtauftritts, wie es hieß, immer aufsagen sollten. Wenn
jemand noch nach Feierabend diese Durchwahl anrief, wusste er wohl, dass sich
dort der Leiter der Kriminalinspektion Wittlich melden würde.
»Hallo, Herr Wagner, Möhles hier. Gut, dass ich Sie noch erreiche.«
Möhles? Was konnte der Leiter der Polizeiwache Gerolstein um diese
Zeit noch von ihm wollen?
»Was gibt’s, Kollege?«
»Wir hatten heute eine Besprechung, und hinterher kam einer meiner
Leute unter vier Augen wieder einmal auf den toten Jungen am Ziegenhorn zu
sprechen. Mertes ist wohl wieder an dem Fall dran, und er hat auch wegen der
anderen Todesfälle nachgefragt. Läuft da wieder was?«
Wagner dachte kurz nach. Möhles war ein guter Mann, aber nicht jeder
musste es unbedingt wissen, wenn Mertes sich mal wieder daran machte, ihm auf
der Nase herumzutanzen. Mertes war ein guter Ermittler, aber nicht einfach zu
handhaben.
»Ich hätte Sie noch informiert«, log Wagner deshalb. »Tut mir leid,
ist blöd gelaufen. Mertes hat es immer wieder mal sehr eilig, Sie kennen ihn
ja. Da läuft dann nicht alles in der richtigen Reihenfolge. Natürlich hätten
wir zuerst Sie informieren müssen – schließlich wollen wir ja auch Ihre Hilfe.«
»Wenn sich ein Fall dadurch besser lösen lässt, kann mir der lange
Dienstweg gestohlen bleiben, Herr Wagner, das wissen Sie. Ich war mir nur nicht
sicher …«
»Ob Mertes mal wieder eine Extratour reitet?«
»Ja.«
»Nein …« Wagner zögerte kurz, dann sagte er lahm: »Das … hat
schon seine Ordnung. Obwohl ich es nicht gut finde, dass er den Fall nicht
endlich ruhen lässt.«
»Das steckt uns allen noch in den Knochen, nicht nur Mertes. Deshalb
hat es mir der Kollege ja auch gesteckt. Der war wieder ganz aufgewühlt, all
die toten Kinder …«
Als das Telefonat ein paar Minuten später beendet war, saßen in
Wittlich und Gerolstein zwei sehr nachdenklich gewordene Männer.
Was trieb Mertes nun schon wieder?, dachte Wagner und machte sich
ein paar Notizen. Er würde ihm etwas genauer auf die Finger schauen müssen.
Warum weiß Wagner nicht, dass Mertes wieder ermittelt?, ging es
Möhles wieder und wieder durch den Kopf. Der Kollege hatte sich am Telefon zwar
wacker geschlagen, aber Möhles kannte ihn zu lange, um ihm die Schauspielerei
abzunehmen. Und warum ermittelt Mertes plötzlich wieder, nach der langen Pause?
Rainer Pietsch winkte seiner Frau zum Abschied zu und fuhr dann
zügig los – aber er kam nicht weit. Noch vor dem Ende der Garageneinfahrt war
ein lauter Schlag zu hören, der Wagen kippte nach vorn rechts weg und blieb
abrupt stehen.
Annette Pietsch, die den Schlag und das anschließende Knirschen
gehört hatte, kam schnell herbeigelaufen. Rainer Pietsch kletterte verblüfft
aus dem Wagen und lief um die Motorhaube herum. Der Wagen war auf dem rechten
bloßen Endstück der Vorderachse aufgesessen, und das rechte Vorderrad kullerte
zwei Meter weiter auf dem Gehweg aus. Rainer Pietsch rollte es zurück zum
Wagen, Annette Pietsch inspizierte die Stelle, an der das Auto über Nacht
gestanden hatte, und sah sich um. Nach kurzer Suche entdeckte sie die gelösten
Radmuttern. Irgendjemand hatte sie in eine kleine Plastiktüte gepackt und die
Tüte halb unter einem Busch versteckt.
Rainer Pietsch lehnte das Rad gegen den Kotflügel und ging zu seiner
Frau. Sie hockte vor dem Busch,
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