Kinder
sein Fuß entzündet.
Das leise Knacken im Dickicht fiel ihm zunächst
gar nicht auf. Erst, als der Mann durch die Zweige brach und vor ihm stand,
wurde ihm bewusst, dass er nun, nach all den Jahren, doch noch entdeckt worden
war. Der Mann zog das Brett, das als Tür diente, zur Seite und warf es auf den
Boden.
» Suchen Sie mich? « ,
fragte er, und seine eigene Stimme, heiser und knorrig, kam ihm fremd vor, weil
er sie lange nicht gehört hatte.
» Ja « , sagte der Fremde,
duckte sich und setzte sich ihm gegenüber auf den blanken Boden. Der Fremde
trug einen dicken Mantel, und die Taschen waren auf beiden Seiten ausgebeult – vermutlich war er bewaffnet.
» Das können Sie sich vielleicht sogar sparen « , sagte er und nickte zu den ausgebeulten Taschen hin.
Der Fremde zog aus einer der Taschen eine Pistole
hervor.
» Das hier? «
» Ja. Schauen Sie mal hier. «
Er zog seinen Fuß unter den Blättern hervor, den
kaputten Schuh hatte er ausgezogen, und hielt dem Fremden die pochende Wunde an
der Sohle hin.
» Sieht übel aus « , sagte
der Fremde knapp und steckte seine Waffe wieder weg.
Er schob den Fuß wieder unter die Blätter und
hielt den Atem an, bis der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte. » Wie haben Sie mich gefunden? «
» Nicht ich, der Chef. Er weiß schon seit zwei
Jahren, wo Sie sich verkrochen haben. Aber inzwischen gab es Komplikationen – da ist er wohl noch einmal runter ins alte Büro und hat Ihre
Unterlagen rausgesucht. Sie sind der Letzte, der uns mit einer Aussage noch
gefährlich werden könnte. «
Er nickte.
» Wobei …« , fuhr der
Fremde fort und deutete zu dem Fuß, der unter den Blättern verborgen lag.
» Außerdem würde mir eh keiner glauben « , sagte er.
» Stimmt. «
» Und jetzt? «
» So, wie Ihr Fuß aussieht, werde ich wohl einfach
warten. Sie haben es bald hinter sich « , sagte der
Fremde. » Allerdings wird es schmerzhaft werden, sehr
schmerzhaft – das sollten Sie wissen. «
» Ist es schon. «
Der Fremde nickte. Dann griff er in seinen Mantel
und holte einen Flachmann aus der Innentasche.
» Da, nehmen Sie. «
» Gift? «
» Irgendwie schon – Schnaps soll ja nicht so gesund sein. «
Er lachte leise, was einen Hustenanfall auslöste.
Als er wieder zu Atem kam, setzte er die Flasche an und trank einen kleinen
Schluck. Der Fusel schmeckte nicht gut, aber er brannte wie Feuer, und das
lenkte ihn ein wenig ab von seinen anderen Schmerzen.
» Das wärmt « , sagte er
und hielt dem Fremden den Flachmann wieder hin.
» Den können Sie behalten. « Dann sah der Fremde an ihm vorbei zu dem Bollerofen in der Ecke. » Warum befeuern Sie ihn nicht? Es ist doch saukalt heute. «
» Kein Material mehr, und trockenes Holz sammeln
ist heute nicht drin. « Er deutete auf seinen Fuß. Der
Fremde sah ihn eine Weile an, und er wurde aus dem Blick des Mannes nicht recht
schlau. Dann rieb sich der Fremde beiläufig über die kleine Warze neben seiner
Nase, stand auf und ging hinaus.
Etwa eine Viertelstunde später kam er zurück, die
Arme voller trockener Zweige.
» Haben Sie ein Streichholz oder so was? « , fragte der Fremde, schlüpfte an ihm vorbei und legte das Geäst
vor dem Ofen ab.
» Ja, dort hinten. « Er
zeigte auf ein Brett in der anderen Ecke, auf dem Kerzenreste,
Streichholzpackungen und Stofflappen lagen. Der Fremde zerbrach einige der Äste
und steckte sie in die Öffnung des Ofens. Dann brauchte er ein paar Versuche,
bis er mit einem der Zündhölzer ein kleines Feuer entfacht hatte.
Durch die offene Tür des Ofens strömte schnell
die Wärme heraus, und nach wenigen Minuten hörte das beständige Zittern in
seinem Körper auf. Der Fremde hockte noch immer hinter ihm, steckte ab und zu
ein neues Stück Holz durch die Ofentür.
» Besser? « , fragte der
Fremde schließlich.
» Viel besser « , sagte er
und entspannte sich etwas.
Der Fremde nahm ein Messer aus der Tasche, kroch
lautlos hinter ihn und durchtrennte ihm die Kehle mit einem einzigen,
kraftvollen und sauberen Schnitt. Kurz röchelte er noch, Blut schoss ihm über
den Oberkörper, dann sackte er nach hinten und lehnte tot auf den Oberschenkeln
des Mannes hinter ihm.
Der Fremde verharrte noch ein paar Minuten in
seiner Position und bewegte dabei lautlos die Lippen, als würde er ein Gebet
sprechen. Dann erhob er sich auf die Knie, putzte die Messerklinge am Hemd des
Toten ab, steckte den Flachmann und das Messer wieder in seinen Mantel,
wuchtete den Toten hoch und legte ihn
Weitere Kostenlose Bücher