Kinder
und Annette hatten verabredet, dass
sie davon zunächst einmal nicht reden wollten, denn Moeller hätte sicher alles
abgestritten – und es war im Übrigen nicht strafbar, an der Straße zu stehen
und zu einer Wohnung hinaufzusehen.
»Nun will ich das mal zusammenfassen, Herr Wehling«, zischte Annette
Pietsch, und ihre Stimme bebte. »Sie sind nicht in der Lage, Ihre Kollegen auf
ein übliches Maß an pädagogischer Methodik festzulegen – und nun sollen unsere
Kinder die Schule wechseln, weil wir den Finger in die Wunde legen und damit
für Sie unbequem geworden sind?«
»Also, ich muss doch sehr bitten!«, protestierte Wehling und es kam
ihm gar nicht ungelegen, dass die Pietschs nun so aggressiv auftraten: Das war
Wasser auf seine Mühlen, wenn er sie wirklich zu einem Schulwechsel bewegen
wollte.
Der Rektor und die Mutter sahen sich eine Weile starr an, dann stand
Annette Pietsch abrupt auf und sah zu ihrem Mann hinunter.
»Komm, Rainer, wir gehen. Das hat hier doch keinen Sinn.«
Rainer Pietsch stand ebenfalls auf, sah noch kurz kopfschüttelnd zu
Rektor Wehling, dann wandte er sich ab.
»Setzen Sie sich bitte wieder.«
Das knappe Kommando kam eher leise, aber doch eindringlich. Franz
Moeller hatte das erste Mal überhaupt das Wort ergriffen, und Annette Pietsch
war regelrecht zusammengezuckt.
Rainer und Annette Pietsch blieben stehen und sahen fragend zu den
beiden Lehrern hinüber.
»Bitte«, sagte Franz Moeller noch einmal und sah die Eltern an.
»Ich weiß zwar nicht, was das jetzt noch soll – aber meinetwegen«,
sagte Annette Pietsch und setzte sich. Ihr Mann tat es ihr nach.
»Herr Wehling«, begann Franz Moeller, »ich bin Ihnen dankbar, dass
Sie uns hier verteidigen. Auch meine Frau weiß zu schätzen, wie sehr Sie sich
für die Atmosphäre an dieser Schule engagieren.«
Rosemarie Moeller nickte kaum merklich.
»Und natürlich ist es für uns nicht leicht, mit derartigen
Vorwürfen, ja gar Anfeindungen konfrontiert zu werden.« Aus dem Augenwinkel
bemerkte er, dass Annette Pietsch aufbegehren wollte, und hob kurz die Hand.
»Bitte, Frau Pietsch, einen Moment noch.«
Annette Pietsch klappte den Mund wieder zu und wartete.
»Aber es ist immer auch eine Belastung für Familien, vor allem für
die Kinder, während eines Schuljahres aus so unerfreulichen Gründen die Schule
wechseln zu müssen. Deshalb …«
Er machte eine kurze Pause, Wehling sah ihn fragend an.
»Deshalb möchten meine Frau und ich gerne mit dem Ehepaar Pietsch
reden, nur wir vier. Ich würde gerne erreichen, dass wir alle miteinander das
Schuljahr anständig zu Ende bringen – gerade im Interesse der Kinder. Und
vielleicht haben sich ja bis zu den Sommerferien die Wogen soweit geglättet,
dass ein Schulwechsel ganz vom Tisch ist.«
Wehling wirkte verblüfft. Franz Moeller sah Annette und Rainer
Pietsch an, und sein Blick wirkte sehr versöhnlich, fast bittend.
»Nun, ich weiß nicht …«, begann Wehling, brach dann aber wieder ab
und sah ebenfalls die Eltern an.
»Gut«, sagte Annette Pietsch nach kurzem Zögern. »Reden wir.«
Wehling sah noch kurz zwischen den Paaren hin und her, dann stand er
auf. »Wenn Sie das für sinnvoll halten, Herr Moeller … Meinen Segen haben Sie – und meinen Respekt ohnehin, das müssten Sie in der jetzigen Situation nun
wirklich nicht auf sich nehmen.«
»Ich weiß, Herr Wehling, aber wir wollen doch alle das Beste für
unsere Schüler, nicht wahr.«
»Ja, das wollen wir«, sagte Wehling, bedachte die Pietschs noch mit
einem mahnenden Blick, diese letzte Chance nur ja nicht ungenutzt verstreichen
zu lassen. Dann ging er hinaus und zog leise die Tür hinter sich zu.
Franz Moeller wartete noch einen Augenblick, dann sah er kurz zu
seiner Frau und wandte sich schließlich im Sitzen den beiden anderen zu.
»So«, sagte er, verstummte dann aber wieder für einen Moment und
musterte seine Gegenüber.
»Was also haben Sie uns vorzuschlagen?«, sagte Rainer Pietsch, als
ihm die Pause zu lang wurde.
»Wir? Ihnen?«
Franz Moeller grinste hämisch. »Ganz ehrlich: Meinetwegen könnten
Ihre Kinder gleich heute die Schule wechseln, aber ich fühle mich wohler, wenn
wir sie noch ein Weilchen hier haben. Unter Beobachtung, sozusagen, und etwas
mehr unter Kontrolle.« Moeller lehnte sich zurück und grinste noch breiter.
»Was soll das jetzt wieder?« Rainer Pietsch hatte keine Lust auf
Spielchen, und schon zum zweiten Mal schien dieses Gespräch nicht so zu laufen,
wie er es erwartet
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