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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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quer über den Bollerofen. Danach steckte
er einige trockene Zweige unter Arme, Beine und Bauch des Toten, bedeckte ihn
mit dem übrigen Brennholz und ging hinaus vor die kleine Hütte.
    Dort sah er sich kurz nach allen Seiten um, und
schließlich setzte er sich so auf den Boden, dass er den Weg, den er gekommen
war, ebenso überblicken konnte wie alles, was sich in der Hütte tat. Reglos
blieb er sitzen, bis der Körper des Toten zu einem schwarzen Klumpen aus Asche
und verkohltem Fleisch geworden war.

Kapitel sechs
    Annette Pietsch ging noch eine Weile in der Wohnung auf
und ab, dann war sie sicher, dass ihr Mann vergessen hatte, dass sie an diesem
Abend zusammen ausgehen wollten. Den Kopf frei bekommen, mal wieder nur über
sich reden – und mit Blick auf den Marktplatz richtig schön italienisch essen
gehen.
    Aber nun war Rainer schon eineinhalb Stunden zu spät. An den Kindern
jedenfalls wäre es heute nicht gescheitert: Die waren in ihren Zimmern, lasen,
lernten und hatten sich die Kopfhörer übergestreift. Enttäuscht klappte sie das
Bügelbrett auf, schaltete den Fernseher ein und machte sich an die Arbeit.
    Als Rainer Pietsch eine weitere Stunde später tatsächlich nach Hause
kam, war sie längst fertig mit Bügeln und nippte an ihrem kalt gewordenen
Milchkaffee, während sie sich lustlos durch die Programme zappte. Sie hörte die
Haustür zuschlagen und stand auf, um ihren Mann zur Rede zu stellen.
    Doch als er blass und abgekämpft vor ihr stand, sagte sie gar nichts
und nahm ihn einfach nur in den Arm.
    Es nieselte leicht, aber Rico und seine Jungs hatten einen
geschützten Platz auf dem Güterbahnhof, an den sie sich zurückziehen konnten.
    »Und warum sollten wir das machen?«, fragte Hacki, der mit seinen
beiden Narben unter dem rechten Auge von ihnen allen am verwegensten aussah.
    »Die haben Zoff mit dem Kleinen«, sagte Rico. »Der bedroht die wohl,
und für uns wäre es keine große Sache, das für die beiden zu regeln, oder?«
    »Das nicht, aber warum sollten wir?«
    Rico wand sich ein wenig.
    »Und? Raus damit!«
    »Unser Süßer ist doch verliebt, wie ihr wisst«, lachte Silas und
klopfte Rico ein paar Mal auf die Schulter. »Rico fallen wegen dieser Sarah
fast die Augen aus dem Kopf. Hübsches Ding, würde ich auch nicht wegschicken –
und dieser Michael, den wir uns vornehmen sollen, ist ihr kleiner Bruder.«
    »Ach«, machte Hacki und grinste anzüglich. »Kommst wohl noch immer
nicht zum Schuss, Rico, was?«
    »Halt’s Maul, Idiot!«, zischte Rico.
    Hacki lachte.
    »Und wenn wir den kleinen Bruder verdreschen, mag sie dich
plötzlich? Mensch, deine Logik möcht ich haben …«
    Rico schwieg und starrte vor sich auf den Boden.
    »Rache?«, fragte Hacki nach einer Weile. »Soll das Rache werden?«
    Rico zuckte mit den Schultern.
    »Na, meinetwegen«, sagte Hacki und rutschte von dem Stapel
Eisenbahnschwellen herunter, der in dem windschiefen Schuppen aufgestapelt war.
»Warum nicht mal wieder Zwerge klatschen?«
    Er nahm Rico in den Arm, lachte und schüttelte ihn ein wenig.
    »Na, komm, Alter, Kopf hoch – das wird schon noch mit deinem Mädel!«
    Er ließ ihn wieder los.
    »Und wenn nicht … dann helfen wir dir dabei halt auch noch, was,
Jungs?«
    Rico sah ihn an, Hackis Grinsen wirkte noch fieser als sonst.
    Mit etwas Butter, Salz und Salbei war aus der Portion
Spaghetti im Handumdrehen ein leckeres Abendessen geworden, und die Flasche
Primitivo machte das italienische Flair komplett. Ihr Esszimmer war zwar nicht
die Trattoria am Marktplatz, aber reden konnten sie hier ebenso gut.
    »Ist es wirklich so schlimm?«, fragte Annette Pietsch.
    »Vielleicht sogar noch schlimmer«, antwortete Rainer Pietsch mit
vollem Mund und wickelte sich erneut Spaghetti um die Gabel. »Die rotieren
total, und da ist bisher selten etwas Gutes dabei herausgekommen.«
    »Musst du dir um deinen Job Sorgen machen?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Zumindest sollte ich so schnell keine Besprechung mehr verpassen.
Noch einen Anpfiff von meinem Chef möchte ich im Moment lieber nicht riskieren.«
    Er schob sich die neue Ladung in den Mund.
    »Tut mir leid, dass wir heute Abend nicht ausgehen konnten«, brachte
er schließlich hervor. »Ich hab’s nicht vergessen, aber das Meeting nahm und
nahm kein Ende – und die Stimmung war einfach nicht danach, dass ich zwischendurch
mal kurz zum Handy hätte greifen können, um dir Bescheid zu geben.«
    Jörg Zimmermann saß in der Küche und dachte nach.

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