Kinderfrei
die Familienförderung aufgefangen wird. Insofern haben Eltern, sofern sie ihre Kinder nicht in Lumpen kleiden und bei Wasser und Brot halten, tatsächlich weniger Geld für sich selbst zur Verfügung als Kinderfreie mit einem vergleichbaren Einkommen. Nur: Haben sie sich nicht aus freien Stücken für Kinder entschieden? War ihnen etwa nicht klar, dass diese Entscheidung von ihnen gewisse Einschränkungen fordern würde? Das Leben besteht nun einmal aus Entscheidungen. Wer eine hohe Hypothek abzuzahlen hat, um sich seinen Traum vom eigenen Häuschen zu verwirklichen, wird auf teure Urlaubsreisen verzichten müssen. Wer Zeit und Geld investiert, um sich weiterzubilden, schränkt sich dafür an anderer Stelle ein. Wer Tiere aus dem Tierheim aufnimmt, die Opfer menschlicher Grausamkeit oder Gedankenlosigkeit geworden sind, hat ebenfalls weniger Geld für sich selbst übrig.
Außerdem kosten Kinder, so habe ich mir sagen lassen, nicht nur Geld, sondern bereiten auch viel Freude, machen glücklich, ja, verleihen für manche dem Leben überhaupt erst einen Sinn. »Du weißt ja gar nicht, was du verpasst«, ist einer der Sätze, die Kinderfreie am häufigsten zu hören bekommen. Wenn dem so ist, dann sollten doch all die positiven Seiten des Kinderhabens die Kosten mehr als aufwiegen, und man sollte den bedauernswerten Kinderfreien ihr bisschen zusätzliches Geld von Herzen gönnen, wenn ihnen schon all die Freude und all das Glück entgehen.
Deutschland hinkt in Sachen Feminismus hinterher
Sara, 39, stammt ursprünglich aus Schottland. 2007 ist sie zusammen mit ihrem Verlobten nach Deutschland gekommen und arbeitet als Supervisor of Instruction in einer Sprachschule in einer Großstadt in Bayern.
Ich wusste schon immer, dass ich keine Kinder haben will, sogar als ich selbst noch ein Kind war. Elternschaft und alle Vorstellungen, die damit verbunden sind, haben mich einfach nie interessiert.
Ich weiß noch, dass in meinem letzten Schuljahr eine Frau zu uns kam, die vor den Mädchen in meinem Jahrgang einen Vortrag über Kinder- und Säuglingspflege hielt – wie man Windeln wechselt, Kinder badet und solche Sachen. Als sie uns zum Schluss aufforderte, Fragen zu stellen, habe ich gefragt, wann dieser Vortrag für die Jungs gehalten würde. Sie lachte nur und meinte, es gebe keinen solchen Vortrag für die Jungs. Ich habe gefragt, warum nicht, schließlich würden doch auch einige von ihnen später mal Vater werden. Außerdem habe ich sie darauf hingewiesen, dass es ganz schön heftig ist, dass sie einfach davon ausgeht, wir alle würden später Mütter werden. Völlig ungläubig hat sie gefragt, ob ich etwa keine Kinder haben wollte. Nein, habe ich gesagt, will ich nicht.
Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Mein Verlobter dagegen dachte immer, dass er irgendwann Kinder haben würde. Dabei hatte er aber so typische »Kodak-Momente« im Kopf – er malte sich aus, wie schön es wäre, mit den Kindern angeln und zelten zu gehen. Ich habe ihm gesagt, dass ein Kind, das meine Gene in sich trägt, höchstwahrscheinlich alle Outdoor-Aktivitäten verabscheuen würde und shoppingsüchtig wäre …
Er hat zugegeben, dass er keine Windeln wechseln könnte, er kommt ja schon kaum mit Katzenkotze und Katzenklo zurecht. Außerdem ist er nicht gerade wahnsinnig begeistert von Kindern, er ist ihnen gegenüber sogar wesentlich weniger tolerant als ich. Ich glaube, er hat einfach nur die gesellschaftliche Erwartungshaltung übernommen, dass er Kinder haben sollte.
Das Thema kam zu einem sehr frühen Zeitpunkt unserer Beziehung auf den Tisch, und ich fühle mich immer noch nicht 100% sicher in dieser Hinsicht, aber wenn er geht, dann geht er eben – es gibt viele Gründe, warum eine Beziehung nicht ein Leben lang hält. Meine größte Sorge ist, dass er zwar bei mir bleibt, mir aber irgendwann Vorwürfe macht. Dafür hätte ich überhaupt kein Verständnis, schließlich hat er aus freien Stücken seine Entscheidung getroffen. Im Moment ist jedenfalls alles in Ordnung. Natürlich kann es sein, dass er mit 50 plötzlich einen Sinneswandel erlebt und mich für eine junge Frau verlässt, die Kinder von ihm will – aber für sehr wahrscheinlich halte ich das nicht.
Meine Eltern sind von meiner Entscheidung enttäuscht, aber sie versuchen, es mich nicht spüren zu lassen. Freunde und Kollegen, auch die, die selbst Kinder haben, haben kein Problem mit meiner Kinderfreiheit. Das Internet ist eine andere Sache – dort bekomme
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