Kinderfrei
ich immer wieder mal feindselige Reaktionen auf meine Kinderfreiheit.
Finanziell fühle ich mich als kinderfreie Person unfair behandelt. Ich habe absolut kein Problem damit, dass mit meinen Steuern z. B. Schulen finanziert und Bedürftige, auch bedürftige Familien, unterstützt werden. Solche Dinge sind wichtige gesellschaftliche Güter. Aber Kinderfreie sollten nicht mehr Steuern bezahlen müssen als Leute, die Kinder in die Welt setzen. Wir nehmen ja schließlich auch nicht so viele Ressourcen und Dienstleistungen in Anspruch. Ich finde, in Deutschland erhalten Familien ganz schön viel finanzielle Unterstützung – Kindergeld, bezahlter Mutterschaftsurlaub, die Tatsache, dass die Arbeitsstelle für drei Jahre zur Verfügung gehalten wird. Und dann die Sache, dass ganze Familien für den Beitrag von einer einzigen Person krankenversichert sind. Mein Verlobter und ich, wir beziehen alles andere als üppige Gehälter, aber wir haben im Verhältnis viel höhere Krankenversicherungskosten. Besonders ungerecht finde ich, dass ich mehr für meine Pflegeversicherung zahlen muss als jemand mit Kindern. Das soll angeblich dem Umstand Rechnung tragen, dass sich Kinder um ihre Eltern kümmern, wenn diese pflegebedürftig werden. Dabei gibt es überhaupt keine Garantie dafür, dass die Kinder dazu in der Lage oder bereit sind oder überhaupt in Deutschland leben, wenn dieser Fall eintritt. Dieser Zuschlag zur Pflegeversicherung ist in meinen Augen absolut ungerechtfertigt.
In Deutschland beobachte ich ein scheinbares Paradox. Einerseits hinkt Deutschland in Sachen Feminismus hinterher. Nach der Geburt eines Kindes landen Frauen immer noch auf dem beruflichen Abstellgleis. Die Öffnungszeiten von Schulen und Kindergärten erschweren eine Vollzeitberufstätigkeit von Müttern erheblich. Mütter, die nach der Geburt früh wieder arbeiten gehen, werden als »Rabenmütter« beschimpft. Außerhalb von Publikationen wie Emma gibt es kaum eine offene Diskussion über das Thema Abtreibung. Bei den Müttern in meinem Bekanntenkreis überlassen die Männer die gesamte Erziehungs- und Hausarbeit – all die unangenehmen Aufgaben – den Frauen.
Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass die Entscheidung für Kinderfreiheit hier irgendwie eher als verständlich angesehen wird als in Großbritannien. Dort ist es absolut normal, Kinder und Karriere gleichzeitig zu haben, und nur die hartgesottensten Konservativen halten das für falsch. Vielleicht ist gerade die Tatsache, dass es leichter ist, Kinder und Beruf zu vereinbaren, der Grund dafür, dass es vielen Briten schwerfällt, die Entscheidung für Kinderfreiheit zu akzeptieren. In Deutschland dagegen kenne ich viele Frauen, die die gleiche Entscheidung wie ich getroffen haben.
Manchmal denke ich ans Alter, und die Vorstellung, dass niemand für mich und meine Rechte einstehen wird, ist nicht gerade schön. Aber das kann einem genauso mit Kindern passieren. Es gibt keine Garantie, dass sich erwachsene Kinder um einen kümmern, in der Nähe bleiben oder ihre Eltern überleben.
Der größte Vorteil meines kinderfreien Lebens dagegen ist für mich die Freiheit. Ich bin eine ziemlich eigenständige Persönlichkeit, das geht, glaube ich, mit Kinderfreiheit Hand in Hand.
3 Ehrenbürgerschaft für Josef Fritzl?
Die in Kapitel 2 dargestellten finanziellen Erleichterungen für Eltern werden als Familienlastenausgleich bezeichnet. Hierbei ist zunächst zu unterscheiden zwischen dem Familienlastenausgleich im engeren Sinne – Kindergeld und Kinderfreibetrag sowie günstigere Steuerklassen – und dem Familienlastenausgleich im weiteren Sinne. Dazu zählen familienbezogene Entgeltkomponenten im öffentlichen Dienst sowie weitere staatliche Maßnahmen zur Entlastung von Familien (z. B. Preisvorteile bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel). Mit dem Familienlastenausgleich sollen die durch Geburt und Erziehung verursachten Lasten ausgeglichen werden.
Dagegen ist zunächst einmal gar nichts einzuwenden, soweit durch Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag das Existenzminimum von Kindern sichergestellt werden soll. Allerdings kommt der Familienlastenausgleich auch denjenigen Eltern zugute, die diese Unterstützung aufgrund ihrer finanziellen Situation überhaupt nicht benötigen. Und durch die duale Ausgestaltung ebendieses Familienlastenausgleichs – einerseits Kindergeld, andererseits Freibetrag –, verbunden mit der Günstigerprüfung (d. h. das Finanzamt prüft bei Abgabe der
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