Kinderfrei
Steuererklärung automatisch, ob sich Kindergeld oder Freibetrag für den Steuerpflichtigen günstiger auswirken, und wendet die günstigere Variante an), werden Besserverdienende auch noch überproportional bevorzugt. Denn je höher das Einkommen, desto höher die Steuern und desto höher wiederum die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag. Laut finanztip.de ist der Kinderfreibetrag daher nur für Eltern interessant, deren steuerpflichtiges Jahreseinkommen ca. 60 000 Euro übersteigt, denn ab dieser Grenze ist die steuerliche Entlastung durch den Freibetrag höher als das Kindergeld. 16
› Hinweis
Dies ergibt nur Sinn, wenn man den Familienlastenausgleich nicht als tatsächlichen »Lastenausgleich«, sondern vielmehr als »Leistungsausgleich« begreift, um »jene Leistungen zu kompensieren, die die Familien für die Gesellschaft erbringen« 17
› Hinweis
. Die Umverteilung von unten nach oben dient also einem guten Zweck. Schließlich ziehen Eltern die nächste Generation der Renten- und Steuerzahler (nicht zu vergessen: Konsumenten!) groß, und dafür verdienen sie eine Entschädigung. Und wir, die Kinderfreien, sollen gefälligst ein schlechtes Gewissen haben und dankbar sein, dass Eltern rein steuerlich finanziell besser dastehen als wir. Betrachten wir es einfach als eine Art Ablasshandel. So muss auch die kinderfreie Verkäuferin mit ihrer Zweizimmer-Mietwohnung und ihrem 15 Jahre alten Auto einsehen, dass es nur gerecht ist, wenn sie dem Manager und Familienvater das Eigenheim mitfinanziert und dafür sorgt, dass die elementarsten Menschenrechte des Sohnemanns nicht dadurch verletzt werden, dass er zum Geburtstag nicht jeweils den neuesten iPod geschenkt bekommt. Und was das Lieblingsfeindbild der Fortpflanzungsfanatiker angeht, die »Dinks« ( double income, no kids ), denen geifernd vorgeworfen wird, »keine Karriereleiter [sei ihnen] zu hoch« 18
› Hinweis
, so beugen Polizist und Krankenschwester, Sanitäter und Friseurin, Fabrikarbeiter und Kellnerin schamvoll ihr Haupt, bekennen sich der Karrieregeilheit und des Konsumwahns schuldig und tun willig Buße, indem sie mit ihren Steuern der Chefarztgattin den Zweitwagen finanzieren, mit denen sie Finn zum Fußballtraining und Klara-Maria und Anna-Sophie zum Ballettunterricht kutschieren kann.
Tatsächlich scheinen viele Kinderfreie dieser Propaganda aufgesessen zu sein, wenn sie trotzig behaupten, sie würden ja schließlich auch einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, und zwar in Form ihrer höheren Steuern und Abgaben. Diese Argumentation setzt natürlich voraus, dass Eltern tatsächlich immer und grundsätzlich produktive, gesetzestreue Bürger großziehen, die als Erwachsene fleißig Steuern und Sozialbeiträge zahlen, und ihren Kindern Werte wie Toleranz, Rücksichtnahme und Solidarität vermitteln sowie sozialverträgliches Verhalten beibringen. Dabei genügt ein Blick auf die nackte Realität, um den offensichtlichen Unsinn dieser Annahme zu erkennen. Unnötig, sich auf die krassesten Gegenbeispiele zu konzentrieren, nämlich auf diejenigen Eltern, die ihre Kinder sexuell missbrauchen oder körperlich misshandeln (oder gar töten). Sollte es solchen misshandelten Kindern gelingen, trotz allem ein einigermaßen erfülltes und produktives Leben zu führen und nicht in Kriminalität, Drogensucht oder sonstiges (selbst-)zerstörerisches Verhalten abzurutschen, dann ist das einzig und allein ihrer bewundernswerten inneren Stärke zuzuschreiben und keinesfalls das Verdienst ihrer Eltern. Auch dass Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, vor dem Fernseher parken und mit Fastfood vollstopfen, oder Eltern, die ihre Kinder maßlos verwöhnen, ihnen keine Grenzen setzen und sie in rücksichtslose Egoisten verwandeln, weder den Kindern selbst noch der Gesellschaft einen Dienst erweisen, auf die sie die Früchte ihrer »Erziehung« loslassen, versteht sich von selbst. Auch unter den besten familiären Voraussetzungen ist nicht gesagt, dass die Kinder von heute die Beitragszahler von morgen sind. Das beweisen allein schon die Millionen Arbeitslosen. Vielleicht geht das Kind als Erwachsener aber auch ins Ausland, wird straffällig oder alkoholabhängig. Vielleicht wird es gar, selbst das kommt in den besten Familien vor, Beamter! Und wieder kein Beitragszahler! Vielleicht, wenn das Kind ein Mädchen ist, wird es Mutter von zwei Töchtern und bleibt zu Hause. Und die Töchter bleiben später als Erwachsene ebenfalls zu Hause, um sich um ihre
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