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Kindergeschichten (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Kindergeschichten (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Kindergeschichten (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bichsel
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und sagte: »Gut, Colombin, ich, Amerigo Vespucci,gehe das Land suchen. Sag mir, wo es liegt.«
    »Sie fahren ins Meer und dann immer geradeaus, und Sie müssen fahren, bis Sie zu dem Land kommen, und Sie dürfen nicht verzweifeln«, sagte Colombin, und er hatte fürchterliche Angst, weil er ein Lügner war und wußte, daß es das Land nicht gibt, und er konnte nicht mehr schlafen.
    Amerigo Vespucci aber machte sich auf die Suche.
    Niemand weiß, wohin er gefahren ist.
    Vielleicht hat auch er sich im Walde versteckt.
    Dann bliesen die Fanfaren, und Amerigo kam zurück.
    Colombin wurde rot im Gesicht und wagte den großen Seefahrer nicht anzuschauen. Vespucci stellte sich vor den König, blinzelte dem Colombin zu, holte tief Atem, blinzelte noch einmal dem Colombin zu und sagte laut und deutlich, so daßes alle hören konnten: »Mein König«, so sagte er, »mein König, das Land gibt es.«
    Colombin war so froh, daß ihn Vespucci nicht verraten hatte, daß er auf ihn zulief, ihn umarmte und rief: »Amerigo, mein lieber Amerigo!«
    Und die Leute glaubten, das sei der Name des Landes, und sie nannten das Land, das es nicht gibt, »Amerika«.
    »Du bist jetzt ein Mann«, sagte der König zu Colombin, »von nun ab heißt du Kolumbus.«
    Und Kolumbus wurde berühmt, und alle bestaunten ihn und flüsterten sich zu; »Der hat Amerika entdeckt.«
    Und alle glaubten, daß es Amerika gibt, nur Kolumbus war nicht sicher, sein ganzes Leben zweifelte er daran, und er wagte den Seefahrer nie nach der Wahrheit zu fragen.
    Bald fuhren aber andere Leute nach Amerika und bald sehr viele; und die, diezurückkamen, behaupteten: »Amerika gibt es!«
    »Ich«, sagte der Mann, von dem ich die Geschichte habe, »ich war noch nie in Amerika. Ich weiß nicht, ob es Amerika gibt. Vielleicht tun die Leute nur so, um Colombin nicht zu enttäuschen. Und wenn zwei sich von Amerika erzählen, blinzeln sie sich heute noch zu, und sie sagen fast nie Amerika, sie sagen meistens etwas Undeutliches von ›Staaten‹ oder ›Drüben‹ oder so.«
    Vielleicht erzählt man den Leuten, die nach Amerika wollen, im Flugzeug oder im Schiff die Geschichte von Colombin, und dann verstecken sie sich irgendwo und kommen später zurück und erzählen von Cowboys und von Wolkenkratzern, von den Niagarafällen und vom Mississippi, von New York und von San Francisco.
    Auf jeden Fall erzählen alle dasselbe, und alle erzählen Dinge, die sie vor der Reiseschon wußten; und das ist doch sehr verdächtig.
    Aber immer noch streiten sich die Leute darüber, wer Kolumbus wirklich war.
    Ich weiß es.

Der Erfinder
    Erfinder ist ein Beruf, den man nicht lernen kann; deshalb ist er selten; heute gibt es ihn überhaupt nicht mehr. Heute werden die Dinge nicht mehr von Erfindern erfunden, sondern von Ingenieuren und Technikern, von Mechanikern, von Schreinern auch, von Architekten und von Maurern; aber die meisten erfinden nichts.
    Früher aber gab es noch Erfinder. Einer von ihnen hieß Edison. Er erfand die Glühbirne und das Grammophon, das damals Phonograph hieß, er erfand das Mikrophon und baute das erste Elektrizitätswerk der Welt, er baute einen Filmaufnahmeapparat und einen Apparat, mit dem man die Filme spielen konnte.
    1931 starb er.
    Ohne ihn wären wir ohne Glühbirnen.So wichtig sind Erfinder.
    Der letzte starb im Jahre 1931.
    1890 wurde zwar noch einer geboren, und der lebt noch. Niemand kennt ihn, weil er jetzt in einer Zeit lebt, in der es keine Erfinder mehr gibt.
    Seit dem Jahre 1931 ist er allein.
    Das weiß er nicht, weil er schon damals nicht mehr in der Stadt wohnte und nie unter die Leute ging; denn Erfinder brauchen Ruhe.
    Er wohnte weit weg von der Stadt, verließ sein Haus nie und hatte selten Besuch.
    Er berechnete und zeichnete den ganzen Tag. Er saß stundenlang da, legte seine Stirn in Falten, fuhr sich mit der Hand immer wieder übers Gesicht und dachte nach.
    Dann nahm er seine Berechnungen, zerriß sie und warf sie weg und begann wieder von neuem, und abends war er mürrischund schlecht gelaunt, weil die Sache wieder nicht gelang.
    Er fand niemanden, der seine Zeichnungen begriff, und es hatte für ihn keinen Sinn, mit den Leuten zu sprechen. Seit über vierzig Jahren saß er hinter seiner Arbeit, und wenn ihn einmal jemand besuchte, versteckte er seine Pläne, weil er fürchtete, man könnte von ihm abschreiben, und weil er fürchtete, man könnte ihn auslachen.
    Er ging früh zu Bett, stand früh auf und arbeitete den ganzen Tag. Er bekam

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