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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
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ihre Mutter als Zuträgerin von Informationen und sind sich daher nie sicher, welche Beobachtungen oder Erfahrungen von diesem Tage die Mutter an den Vater weitergibt. Lukas betrachtet seinen Vater als ungekrönten Herrscher, weil sein Vater aus seiner Empfindung heraus alles weiß, alles kann und jede Situation perfekt beherrscht. Er merkt, dass er selbst noch nicht so weit ist. Er empfindet sich als unvollständig und auch als dumm. Da helfen ihm auch nicht seine guten Schulleistungen.
    → Bedeutungswert
    Lukas hat von sich folgenden Eindruck: »Ich bin irgendwie falsch. Alles, was ich zu Hause sage und was nicht zu 100 Prozent den ungeschriebenen Gesetzen des häuslichen Regelwerkes entspricht, bleibt unberücksichtigt. Meine Einflussmöglichkeit, eigene, von diesem Regelwerk abweichende Vorschläge umzusetzen, ist gleich null.« Insofern befindet sich Lukas in einer Ohnmachtssituation. Und er fühlt sich schuldig, wenn wieder einmal der Haussegen schief hängt. So sagen seine Eltern des Öfteren: »Wenn du mit deinen abwegigen Vorstellungen nicht immer wieder Unruhe ins Haus bringen würdest, dann würde es uns allen besser gehen.« Nun beginnt Lukas, sich für sein Verhalten –sein Nicht-gut-Sein – selbst zu bestrafen. Er macht sich das entwicklungshinderliche Erziehungsverhalten der Eltern zu seinem Problem und ist – klinisch gesprochen – der Symptomträger einer pathogenen (= krank machenden) Familienstruktur.
    → Praktische Hinweise
    Was Lukas braucht, ist eine Entwicklungsatmosphäre, die durch mehr Fröhlichkeit und weniger Ernsthaftigkeit, mehr Lockerheit und weniger Strenge, mehr Humor und weniger Selbstdisziplin, mehr gelebte Werte wie beispielsweise Wertschätzung, Annahme, emotional spürbare Liebe und weniger Normierungen gekennzeichnet ist. Lukas muss gleichzeitig auch Eltern erleben, die nicht in allen Dingen perfekt zu sein scheinen, weil er solche »Vorbilder« als unerreichbar einstufen und an diesem Anspruch letztlich weiter zerbrechen würde.
    »Hin und her, hin und her, macht das Leben nicht so schwer« – Wenn Kinder keine Entspannung erleben
    Valeska, ein sechsjähriges Mädchen, fällt sowohl zu Hause als auch im Kindergarten durch ihre intensiven rhythmischen Schaukelbewegungen auf. Im Kindergarten sucht sie sich sehr häufig einen Platz auf dem Sofa oder auf dem Schoß der Erzieherin und bewegt sich dann mit schaukelnden Bewegungen sowohl von rechts nach links, links nach rechts als auch von vorne nach hinten und wieder zurück. Das Ganze zieht sich in der Regel über 15 bis 30 Minuten hin und dabei schließt sie die Augen. Stellt die Erzieherin ihr währenddessen eine leise Frage, reagiert Valeska nicht und es ist so, als überhöre sie die gesprochenen Worte.
    Die Mutter berichtet in einem Elterngespräch, dass ihre Tochter diese Schaukelbewegungen auch zu Hause zeige. Vor allem beim Einschlafen, sobald sie in ihrem Bett liegt. Außerdem mag es Valeska besonders, auf der Wippe oder auf der Schaukel zu sein. Dort kann sie »stundenlang« ihre Zeit verbringen. Die anderen Kinder suchen häufig Unterstützung bei der Erzieherin, weil »schon wieder die Schaukel von Valeska besetzt ist«. Wird sie dann gebeten, auch anderen Kindern die Schaukelmöglichkeit einzuräumen, steigt sie vom Sitz herunter und sucht sich eine stille Ecke, um ihre Schaukelbewegungen dort fortzusetzen.
    → Der entscheidende Ausschnitt aus dem biografischen Hintergrund
    Valeskas Eltern sind noch sehr jung (die Mutter ist 23 Jahre alt, der Vater 24). Beide Eltern stammen aus Russland und besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie leben zusammen im Haus der Eltern von Valeskas Mutter und haben eine kleine Einliegerwohnung. Als Valeska zur Welt kam, ging ihre Mutter noch zur Schule und der Vater hatte eine handwerkliche Ausbildung als Mechatroniker begonnen. Mit knapp vier Monaten wurde Valeska vormittags in einer Kinderkrippe untergebracht und an den Nachmittagen kümmerte sich die Großmutter um das Kind. Es gab zwischen Valeskas Mutter und der Großmutter sehr oft heftige, lautstarke Meinungsverschiedenheiten über die »richtige« Erziehung des Kindes, die bis in die Gegenwart andauern. Außerdem setzte die Großmutter ihre Enkelin mit ständigen Ermahnungen, »sich anständig im Kindergarten zu benehmen«, »sich nicht schmutzig zu machen«, »auf ihre Haarspange aufzupassen«, »gutes Deutsch zu sprechen« und »alles artig zu machen, was die Tanten im Kindergarten von dir verlangen«, unter

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