Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
Vom Netzwerk:
hat.
    → Bedeutungswert
    Die Aussage von Alexander, »Am liebsten wäre ich tot«, hat zunächst einmal nichts mit dem realen Wunsch zu tun, aus dem Leben zu scheiden. Vielmehr fühlt er sich in diesem Umfeld, in dem er aufwächst, nicht willkommen und wünscht sich ganz einfach eine andere Welt – eine Umgebung, in der er so sein darf, wie er ist, in der er seinen Interessen nachgehen kann und nicht sein Leben danach auszurichten hat, wie seine Bezugspersonen es sich wünschen und vorstellen. Alexander fühlt sich bevormundet – von morgens bis abends. Das bringt ihn dazu, an den Tod zu denken. Psychologisch übersetzt könnte der Satz auch lauten: »Es wäre wundervoll, wenn ich noch einmal neu geboren werden könnte und dann in einer Welt aufwachsen würde, in der ich mich wohlfühlen darf.«
    → Praktische Hinweise
    Kinder müssen die Möglichkeit haben, eigenen Interessen nachgehen zu dürfen. Sie müssen erleben, dass sie als Kind auch Freiräume zugestanden bekommen, die sie dazu einladen, ihre Schwerpunkte in Spielaktivitäten umzusetzen, und sie müssen vor allem die Erfahrung spüren: »Ich muss nicht perfekt sein! Ich muss mich als Kind nicht schon wie ein Erwachsener in Kindergröße verhalten. Meinen Eltern ist es an allererster Stelle wichtig, dass es mir gut geht, dass ich mich angenommen und sicher fühlen darf. Dabei machen sie ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit nicht zuerst von meinen Leistungen abhängig.«
    »Daumenlutschen ist so schön« – Der Wunsch nach Nähe und Annahme
    Antonia, fünf Jahre alt, besucht seit vier Jahren die Kindertagesstätte. Sie ist ein stilles Mädchen, das meist langsam und leise durch die Räume der Einrichtung schlendert, an den Fenstern stehen bleibt und nach draußen schaut oder anderen Kindern beim Spielen zuguckt. Am liebsten ist sie bei den Krippenkindern und möchte dabei sein, wenn diese gewickelt und gefüttert werden. Dann streichelt Antonia ihnen über ihre Arme oder über das Gesicht, nimmt die Hände der Kinder zwischen ihre Hände und lächelt ihnen zu. Viele Krippenkinder mögen das sehr und scheinen es zu genießen, denn schnell hört deren Weinen auf und sie lächeln zurück. Die Erzieherinnen lassen Antonia gerne gewähren und sagen oftmals zu ihr: »Jetzt kommt unsere freundliche Helferin, die unsere kleinen Mäuse zum Lachen bringt.«
    Doch so angenehm sich diese Situation anhört und alle zufrieden erscheinen lässt, so nachdenklich macht Antonias Verhalten aber auch die Erzieherinnen. Einerseits findet das Mädchen keine feste Freundin bzw. keinen Freund in der Einrichtung, andererseits zeigt sie auch wenig Interesse, selbst in aktive Spielhandlungen einzutauchen. Nur ab und zu zieht sie sich in eine Spielecke zurück, baut eine kleine Familie mit Puppen auf, legt ein Püppchen in einen Kinderwagen und spielt – wenn auch sehr vereinfacht – »Mutter, Vater, Kind«. Sie ist dabei eine sehr liebevolle Mutter, die sich aufopferungswillig ihrem Kind zuwendet, das ganz in Ruhe gefüttert oder gewickelt, spazieren gefahren oder im Arm schaukelnd hin- und herbewegt wird. Wenn andere Kinder (zumeist Mädchen) dazukommen und mitspielen wollen, lässt sie das zu, zieht sich dann aber stets nach wenigen Minuten aus dem Spielgeschehen zurück, sowie die Kinder die Initiative für eigene Spielimpulse setzen. Antonia lässt das alles geschehen und unternimmt keine Versuche, ihre Vorstellungen vom Spielverlauf durchzusetzen. Sobald sie die Spielfläche verlässt, steckt sie ihren Daumen in den Mund und setzt ihre Wanderung durch den Kindergarten fort.
    Das Daumenlutschen gehört zu ihrem festen Verhaltensrepertoire. Ob es sich dabei um die Zeit handelt, in der vorgelesen wird und Antonia interessiert zuhört, ob bei den Tischspielen, die sie ab und zu mitmacht, ob beim Zuschauen, wenn die Krippenkinder gewickelt werden oder in allen anderen Situationen: Der Daumen der rechten Hand ist in ihrem Mund verschwunden. Wenn Antonia müde ist und sich in eines der Schlafnester im Ruheraum zurückzieht und hinlegt, wählt sie auch den Zeige- und Mittelfinger als Alternative zum Daumen. Ungezählten Bitten der Erzieherinnen, den Daumen aus dem Mund zu nehmen, schenkt sie nur kurzfristig Beachtung und nach weniger als einer Minute setzt sie ihren Verhaltenswunsch wieder fort.
    → Der entscheidende Ausschnitt aus dem biografischen Hintergrund
    Antonia kam zur Welt, als ihre Mutter 17 Jahre alt und Schülerin der 10. Klasse einer Realschule war. Antonias Mutter

Weitere Kostenlose Bücher