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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lassen! Das ist nun mal so!
    Es klopfte, die Tür schwang auf, ein Herr trat ein, nickte der Sekretärin zu und blieb im Türrahmen stehen, als sich hinter ihm die gepolsterte Pforte wieder schloß. Prof. Karchow sah den Besucher erstaunt an. Kein Dr. Mallente. Ein Unbekannter.
    »Bitte –«, sagte er höflich und zeigte auf einen der Sessel. »Treten Sie näher. Karchow.«
    Der Fremde stellte sich nicht vor, wie es eigentlich jetzt die Höflichkeit erforderte. Er blieb auch an der Tür stehen und sah Prof. Karchow mit etwas geneigtem Kopf an.
    »Sie sind älter geworden, Herr Professor«, sagte er. Er hatte eine sympathische, tiefe Stimme. »Sie kennen mich nicht mehr?«
    »Ich wüßte nicht –« Karchow musterte den Besucher und suchte in der Erinnerung. Mein Gott, dachte er. In meinen fünfzig Jahren habe ich Tausende Menschen gesehen. Wenn nun jeder käme und fragte: Sie kennen mich nicht mehr?
    »Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?«
    »Die Erinnerung, Herr Professor.« Der Besucher trat näher, aber setzte sich nicht, er stützte sich nur auf die Rückenlehne des Sessels. »Ich heiße Peter Kallenbach.«
    »Pardon, aber auch das sagt mir nichts«, antwortete Karchow steif. Merkwürdiger Mensch, dachte er. Noch fünf Minuten und ich drücke auf die Klingel fürs Sekretariat. Ich habe keine Zeit zum Rätselraten.
    »Berlin«, sagte Peter Kallenbach. »Berlin, Herr Professor. 1946. Kinderklinik ›Am blauen See‹. Sie erinnern sich. Sie waren damals Chefarzt.«
    Prof. Karchows Gesicht war starr geworden. Er setzte sich hinter seinen großen Schreibtisch. Ruhe, befahl er sich. Nur Ruhe! Wer ist überhaupt dieser Peter Kallenbach? Er legte die Hände auf die Schreibtischplatte und kam sich hinter dem Tisch geborgen wie in einer Festung vor.
    »Sie scheinen sich zu irren, Herr Kallenbach.« Er hörte, wie seine Stimme rauh war. Ruhe, sagte er sich wieder.
    Peter Kallenbach nagte an der Unterlippe. »Ich begreife, Herr Professor, daß man sich nicht an Dinge erinnert, die jetzt, fast zwanzig Jahre später, kaum einer noch weiß. Ich aber weiß sie noch, Herr Professor. Ich war damals Krankenpfleger in Berlin, im Hauptsitz ›Kinderhort‹, zu dem die Klinik ›Am blauen See‹ gehörte. Ich habe damals selbst gelesen, wie das alles war … Ihre Unterschrift unter den Operationsberichten, Ihre Diagnosen, Ihre Kunstfehler –«
    »Sie irren!« Prof. Karchow sprang auf. Die Schatten der Vergangenheit verflogen … er sah sich wieder vor dem OP-Tisch stehen, die geöffneten Körper der beiden Kinder vor sich, und er starrte auf die großen, tödlichen Vereiterungen, die sich in völlig rätselvoller Weise gebildet hatten.
    »Verstehen Sie das?« hatte er damals die anderen Professorenkollegen gefragt, die ebenfalls bei den Obduktionen zugegen waren. »Eine Mittelfellinfektion! Woher bloß?«
    Und die Kollegen hatten wie er stumm mit den Schultern gezuckt.
    Aber was ging das diesen Peter Kallenbach an …? Für ihn war Professor Karchow einer jener Ärzte, die am Operationstisch versagt hatten und das zu vertuschen suchten.
    »Ich bin nicht bereit, Ihnen über diesen Komplex Auskunft zu geben!« sagte Karchow hart. »Wie käme ich dazu?! Was wollen Sie überhaupt?«
    »Sie nur erinnern. Sehen Sie, Herr Professor … ich bin Rentner. Was man als ehemaliger Krankenpfleger von der Rentenversicherung bekommt, wissen Sie vielleicht nicht.« Peter Kallenbach griff in die Brusttasche und holte einen Schein heraus. »Hier, lesen Sie es sich durch. 248 Mark! Im Monat! Wie kann man davon leben bei den heutigen Preisen? Miete bezahlen, Schuhe besohlen, Licht und Wasser und Gas … was bleibt übrig für das Essen, für Kleidung, für Notzeiten?«
    »Sie wollen Geld!« sagte Karchow. Er sprach es aus, als spucke er Vogelmist aus, der ihm in den Mund gefallen war.
    »Ich stelle es Ihnen anheim, Herr Professor.«
    »Ganz klar also: Sie wollen mich erpressen?«
    »Ich möchte nicht, daß das Bekanntwerden der dunklen Punkte Ihrer ärztlichen Vergangenheit Ihre weitere Karriere und Ihren Lebensabend belastet. Sie sind ein bekannter Mann geworden, Herr Professor, Sie haben jetzt eine große, eigene Klinik … ist das alles nicht monatlich 200 Mark wert? Nur 200 Mark! Was bedeuten Ihnen 200 Mark? Für mich aber sind sie die Sicherheit meines Lebensabends.«
    »Keinen Pfennig!« schrie Professor Karchow hochrot im Gesicht. »Verhaften lasse ich Sie!«
    »Dann muß ich reden! Es würde schreckliche Folgen haben, auch für Ihre Familie,

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