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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Zugewinne erzielen konnte und beinahe um achthundert Prozent zugelegt hatte, von zwölf auf einhundertsieben Sitze angewachsen war. Damit waren sie die zweitstärkste Partei geworden. Ganze Bezirke waren zu Hitler übergelaufen. Achtzehn Prozent der Wählerschaft, 6,5 Millionen Stimmen. Arbeitslose, Frauen und vor allem junge Wähler. Selbst die Nazis hatten nicht mit einem solchen Erfolg gerechnet. Über Nacht war der kreischende, wahnhafte Adolf Hitler, der nicht einmal diedeutsche Staatsbürgerschaft besaß, von einer unbedeutenden Zirkusnummer zu einem der mächtigsten Männer der Nation geworden.
    »Im Ausland wird das einen katastrophalen Eindruck hinterlassen!«, stammelte der Graf und sah sie an, als suchte er Bestätigung, dass er nicht halluzinierte. »Die Auswirkungen für die Außen- und Finanzpolitik mag ich mir nicht einmal vorstellen.«
    »Ganz zu schweigen von den Folgen im Inland«, setzte Fritz hinzu.
    Deutschland zu regieren war schon vorher ein Fegefeuer gewesen, das hatte Kraus gewusst. Jetzt jedoch würde es die reinste Hölle werden. Das Feuer unter dem Kessel war nicht etwa heruntergedreht worden, sondern die Brühe darin hatte jetzt angefangen zu kochen. Ein Drittel der Sitze im Parlament waren in den Händen der Radikalen, der Linken und Rechten, die darauf aus waren, die Republik zu stürzen und sie durch eine Diktatur zu ersetzen. Über die Zukunft und sie alle schien ein langer Schatten gefallen zu sein.
    »Und ich habe die ganze Zeit meinen Kopf in den Sand gesteckt.« Fritz starrte blicklos ins Leere, als würde er wieder diesen hysterischen Mob im Sportpalast sehen. »Selbst nachdem ich es mitangesehen hatte, wollte ich nicht zugeben, welche Anziehungskraft diese Bewegung besitzt. Aber jetzt kann man sie unmöglich länger ignorieren.«
    Sylvie sank wimmernd auf das Sofa zurück.
    »Was in den Knochen angelegt ist, wird sich im Fleisch zeigen.« Sie konnte kaum noch ihr Glas ordentlich füllen. »Die Deutschen sind süchtig nach Tyrannei. Das liegt daran, wie wir unsere Kinder erziehen. Mit dieser Brutalität. Sag mir nicht, dass ich mich irre, Fritz. Wenn du auch nur das geringste Interesse an diesem Thema hättest, würdest du mir zustimmen. Frag Vicki. Sie hat die neueste Literatur gelesen.« Sylvie hob ihrGlas und lächelte schwach, dann hickste sie. »Möchte jemand Dessert?«
    »Lügner! Blödmann! Idiotischer Hundesohn!«
    Kaum waren sie in den Mercedes gestiegen, schlug Vicki mit beiden Fäusten, so hart sie konnte, auf seine Schulter.
    »Wie konntest du mir das antun? Und den Jungs? Wenn wir jetzt nicht mehr so aufmerksam gewesen wären und etwas passiert wäre, was dann?«
    »Ich habe aber nicht in meiner Aufmerksamkeit nachgelassen.« Kraus versuchte, die Schläge abzufangen.
    »Aber ich!« Vicki schlug ihn noch härter. »Du willst nicht, dass diese psychotische Mörderin weiß, dass du ihr auf den Fersen bist? Und deshalb hältst du es vor mir geheim? Was bist du, ein Schwachkopf? Glaubst du, dass auch ich es in einer Bar herausposaunen würde?«
    Er hätte ihr gern gesagt, dass er es einfach vergessen hatte, aber das kam ihm selbst zu absurd vor.
    »Ich wollte dich nicht aufregen, Vic. Du hast dir so große Sorgen gemacht. Ich habe nur versucht ...« Sie wollte ihm eine Ohrfeige zu geben, aber er packte ihre Hand. »Hör auf damit, verdammt!«
    Sie saß keuchend da, starrte ihn finster an und wartete auf eine Erklärung.
    Aber Kraus hatte keine. Nichts zu sagen war einfach nur das Einfachste gewesen. Das war alles.
    »Wie soll ich dir jemals wieder vertrauen?« Sie sah ihn an, als wäre er ein Süchtiger, dessen Wahrnehmung vollständig von einem einzigen Bedürfnis bestimmt wurde. »Sag es mir, Willi! Wie?«
    Er schluckte und hatte das Gefühl, als wäre sein Bewusstsein plötzlich von einem Blitzstrahl getroffen worden. Könnte sie recht haben?, fragte er sich, beinahe überwältigt von einemschwindelnden Entsetzen. Hatte dieser Fall mit seinem Kaleidoskop des Schreckens ihn irgendwie gelähmt? Hatte er tatsächlich seine Familie in Gefahr gebracht? Die Möglichkeit demütigte ihn so entsetzlich, dass er kaum atmen konnte. Er hätte sich am liebsten Vicki vor die Füße geworfen und sie um Verzeihung gebeten. Ihr versprochen zu kündigen. In die Firma ihres Vaters einzutreten.
    »Wenn du willst, kann ich dich und die Jungs morgen früh zu deinen Eltern fahren, Vic.«
    Das brachte ihm eine weitere Runde Prügel ein. »Ich will dich nicht verlassen, verdammt! Ich will,

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